ESA-Chef fordert mehr Investitionen in europäische Raumfahrt
Archivmeldung vom 01.06.2023
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.06.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićESA-Chef Josef Aschbacher fürchtet, dass die europäische Raumfahrt international den Anschluss verlieren könnte. "Wenn wir nicht investieren, dann droht Europa abgehängt zu werden", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ, Freitagsausgabe). Es stehe "viel auf dem Spiel".
Es gelte, Talente zu behalten und anzuziehen, und es gebe geopolitische Argumente. "Weltraum ist das Symbol für Hochtechnologie, um qualifizierte Leute nach Europa zu holen", so Aschbacher. Das Bewusstsein dafür sei bei den Regierungen "vielleicht teilweise vorhanden".
Er wünsche sich, "dass es voll vorhanden ist", sagte Aschbacher mit Blick auf ein bevorstehendes Gespräch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, bei dem es auch um die Raumfahrt gehen soll.
Der ESA-Generaldirektor schätzt, dass der Wirtschaftszweig Weltraum "sehr stark expandieren" werde und die globalen Ausgaben für diesen Bereich von derzeit 350 Milliarden Euro auf über eine Billion Euro anwachsen werden. Europas heutiger Anteil an den Ausgaben sei kleiner als zehn Prozent. "Wenn Europa hier nicht investiert und nicht aufholt auch bei öffentlichen Investitionen, damit dann private Investitionen erfolgen können, fliegen wir früher oder später aus dem Rennen", mahnte der ESA-Generaldirektor.
Er sieht eine Parallele zur Digitalwirtschaft: "Wir hatten vor etwa 20 Jahren eine ähnliche Situation im Digitalbereich, als Europa sich bei den Patenten und Talenten mit Japan und Amerika messen lassen konnte." Europa habe es nicht geschafft, das in große Firmen umzuwandeln, die heute bekanntlich größtenteils aus den USA seien, monierte Aschbacher. In der krisengeplagten europäischen Trägerraketenindustrie sollte man sich nach Ansicht des ESA-Chefs an den USA orientieren. "Europa sollte genau das Gleiche machen wie seinerzeit Amerika", sagte Aschbacher und fügte hinzu, "erste Schritte gesetzt" zu haben.
Er verwies auf die kleinen, größtenteils privat finanzierten Microlauncher, wo er gerade dabei sei, Verträge abzuschließen, um sie über Ausschreibungen einzukaufen und nicht selbst zu entwickeln. "Wettbewerb ist sicher ein Element, um Kosten geringer zu halten und eine gewisse Kapazität aufzubauen sowie Innovationen zu fördern." Dabei geht er davon aus, dass die meisten der europäischen Microlauncher-Firmen den Plan hätten, sich wie US-Hersteller Space X in das obere Segment zu entwickeln. "Eine ähnliche Entwicklung sehe ich in Europa auch", sagte Aschbacher.
Ob der für Ende dieses Jahres geplante Starttermin der neuen europäischen Trägerrakete Ariane 6 steht, wollte der ESA-Generaldirektor der FAZ nicht bestätigen.
"Ganz bewusst legen wir noch keinen neuen Termin fest, weil wir noch drei technische Herausforderungen lösen müssen", erklärte Aschbacher. "Ende Juli, Anfang August" werde man sehr wahrscheinlich mehr sagen können. Er hob allerdings hervor, "gute Fortschritte" gemacht zu haben. "Die Situation sieht heute viel besser aus als noch vor einem oder einem halben Jahr, wir sehen das Licht am Ende des Tunnels", sagte Aschbacher mit Blick auf den Ariane-6-Erstflug. Europa habe bald zwar keinen eigenen Träger mehr, um Satelliten ins All zu schießen. "Das ist allerdings eine temporäre Situation", sagte der ESA-Chef und nannte den gesicherten Zugang zum All durch europäische Raketen "meine absolute Priorität".
Quelle: dts Nachrichtenagentur