Haldenwang: "Letzte Generation" kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz
Archivmeldung vom 17.11.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićThomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hat CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt widersprochen. Dieser warnte kürzlich im Hinblick auf die Aktionen des Bündnisses "Letzte Generation", dass die Entstehung einer "Klima-RAF" verhindert werden müsse. Haldenwang war zu Gast im Demokratie-Forum auf dem Hambacher Schloss.
Im Gespräch mit Moderator Michel Friedman sagte Haldenwang, er sei froh, dass junge Menschen sich wieder für Politik einsetzten: "Die letzte Generation ist jetzt tatsächlich so eine spezielle Gruppierung, die sagen, wir müssen durch spezielle Aktionen auf uns aufmerksam machen. Und das, was sie betreiben, das sind tatsächlich auch Straftaten. Das kann man nicht wegdiskutieren.
Aber das Begehen von Straftaten macht diese Gruppierung jetzt nicht extremistisch. Extremistisch ist immer dann, wenn der Staat, die Gesellschaft, die freiheitlich demokratische Grundordnung infrage gestellt wird und genau das tun die Leute ja eigentlich nicht. Die sagen: 'He Regierung, ihr habt so lange geschlafen, ihr müsst jetzt endlich mal was tun.' Also anders kann man eigentlich gar nicht ausdrücken, wie sehr man dieses System eigentlich respektiert, wenn man die Funktionsträger zum Handeln auffordert. Ich erkenne jedenfalls gegenwärtig nicht, dass sich diese Gruppierung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richtet und insofern ist das kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz."
Auch Matthias Quent, Extremismusforscher und Soziologie-Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal, stellt sich hinter die Proteste der Klimaaktivisten der "Letzten Generation".
"Man kann von den Aktionen ja halten, was man will, aber man muss sich fragen, warum greifen die Menschen zu solchen Mitteln, die das öffentliche Leben gering stören, aber ihre persönliche Biografie zerstören können. Sie kriegen Vorstrafen, sie werden verurteilt. Und die Öffentlichkeit reagiert, in dem sie versucht, sich moralisch selbst zu erhöhen und zu sagen: 'Ja, ihr habt ja inhaltlich recht, aber ihr dürft doch jetzt nicht die Handwerker, die auf die Arbeit fahren, aufhalten. Das gehört sich nicht.'"
Im "Demokratie-Forum Hambacher Schloss" mit Thomas Haldenwang, Matthias Quent und der Künstlerin und Aktivistin Enissa Amani ging es am 16. November um "Frust, Wut, Radikalisierung - Wie bedroht ist die Demokratie?"Die Gesprächsreihe "Demokratie-Forum" ist eine Veranstaltung vom SWR und der Stiftung Hambacher Schloss. Es beschäftigt sich an vier Terminen im Jahr mit Herausforderungen für die Demokratie. Gedacht ist es als Thinktank, bei dem Wissenschaftler:innen, Politiker:innen, Journalist:innen und Autor:innen über aktuelle Probleme sprechen und über Konzepte und Ideen nachdenken, die die Demokratie noch zusammenhalten.
Quelle: SWR - Südwestrundfunk (ots)