Gerhard Schröder: "Wir sind nicht der 51. Bundesstaat der USA"
Archivmeldung vom 31.12.2019
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Freigeschaltet durch André OttAltkanzler Gerhard Schröder hat die US-Sanktionen gegen das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 in scharfen Worten verurteilt. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, "die USA wollen bestimmen, mit wem wir Handel treiben dürfen und mit wem nicht. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Wir sind nicht der 51. Bundesstaat der USA."
Schröder ist Präsident der Aufsichtsgremien der Pipeline-Gesellschaften Nord Stream und Nord Stream 2. Die US-Gesetzgebung gegen deren Tätigkeit bezeichnete er als "anmaßend". Die Sanktionen seien eine Einmischung in innere Angelegenheiten der Bundesrepublik, "wie ich sie seit der Wiedervereinigung nicht gesehen habe". Das Vorgehen der USA betreffe auch nicht nur Geschäfte mit Russland, sondern auch mit dem Iran und China. Allein das vorgebliche Bestreben, als USA per Gesetz zur Energiesicherheit Europas beitragen zu wollen, halte er für übergriffig.
"Beschließen wir im Bundestag etwa Sanktionen gegen die USA mit einem Gesetz zur Sicherung der Menschenrechte an der amerikanisch-mexikanischen Grenze? Gründe dafür gäbe es ja", drehte Schröder den Spieß um. Der SPD-Politiker zeigte sich überzeugt, dass die neue Pipeline durch die Ostsee bald den Betrieb aufnehmen wird. "Das Projekt ist notwendig für die deutsche, aber auch die europäische Energiesicherheit. Deshalb wird es kommen." Das Nord-Stream-Gas sei preiswerter als LNG, also verflüssigtes Gas, und auch für die Spezialchemie besser zu verarbeiten. "Wir steigen aus der Kernenergie und der Kohle aus. Wir brauchen eine Energieversorgung, die sicher ist und Preise ermöglicht, die die deutsche Industrie am Leben lässt und für Rentner, Arbeitnehmer und Menschen, die es nicht so dicke haben, bezahlbar ist", sagte Schröder.
Der frühere Bundeskanzler bedauerte die Entfremdung zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. "Was mich wirklich besorgt, ist etwas anderes", fügte er allerdings hinzu: "Es wird viel gesprochen über das Verhältnis zu den USA und zu Russland, aber zu wenig über unser Verhältnis zu Frankreich." Hier gebe es große Defizite. "Es braucht, gerade nach diesem verheerenden Brexit, einen europapolitischen Impuls: engere Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Außenpolitik, Koordinierung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, mehr Anstrengungen bei Innovation und Digitalisierung. Und dieser Impuls muss von den beiden wichtigsten Ländern in der EU kommen, von Deutschland und Frankreich."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)