Fachleute zweifeln an Wirksamkeit des EU-Ölembargos
Archivmeldung vom 02.06.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDas sechste Sanktionspaket der Europäischen Union gegen Russland könnte Moskau noch weniger wehtun als gedacht. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
Während der Transport russischen Öls durch Leitungen nach Westen ohnehin erlaubt bleiben soll, gibt es demnach nun auch Zweifel, ob der von der EU ins Visier genommene Abtransport per Schiff mit den angekündigten Sanktionen wirksam unterbunden werden kann. Im Detail geht es um das sogenannte Rückversicherungsverbot, was verhindern soll, dass russisches Öl per Tanker nach China, Indien und andere Länder gebracht wird. Fachleute äußerten gegenüber der FAZ den Verdacht, dass Russland das Rückversicherungsverbot relativ einfach umgehen kann und in einem halben Jahr, wenn die Sanktionen greifen sollen, den Rohstoff problemlos wird abtransportieren können.
Die westlichen Versicherungsmärkte würden die Sanktionen konsequent umsetzen, sagte Jan Blumenthal, Deutschlandchef des Versicherungsmarkts Lloyd`s.
Was man aber nicht verhindern könne: "Wenn andere politische Systeme einen anderen Willen haben und es Rückversicherer von dort nicht allein schultern könnten, können sie über staatliche Deckungen unterstützt werden. Es lassen sich also Wege finden, um die Sanktion zu umgehen." Die EU hatte auf Druck von Griechenland und Zypern die Hürden für den Handel mit Öl abgeschwächt. Skeptisch zeigte sich deswegen auch Jan-Oliver Thofern, Leiter des deutschen Rückversicherungsgeschäfts des internationalen Maklers Aon.
Bislang sei nur von Rückversicherern die Rede, das Verbot müsse aber auch für Erstversicherer gelten.
"Die Folgen sind noch nicht abschätzbar", sagte er der FAZ. Die EU-Sanktionen könnten zudem noch auf einem anderen Weg umgangen werden: Wenn russisches Öl mit einer größeren Menge anderen Öls vermischt wird, muss Russland als Herkunftsland nicht mehr angegeben werden. Der Iran hat so die Sanktionen gegen seine Ölexporte umgangen. Russisches Öl wird meist zu griechischen Häfen gebracht, wo es schon heute teilweise vermischt und auf dem Wasser zwischen verschiedenen Tankern für den weiteren Export verladen wird. Zur Frage, ob solche Transporte unter veränderten Versicherungsbedingungen künftig noch möglich sind, wollte der griechische Branchenverband keine Stellung nehmen. Ein Sprecher des griechischen Außenministeriums teilte auf Anfrage aber grundsätzlich mit: "Die Russen werden immer Wege finden, ihr Öl außerhalb der EU zu verkaufen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns mit den Sanktionen nicht mehr selbst schaden als Russland."
Quelle: dts Nachrichtenagentur