Etappensieg für Karlheinz Schreiber
Archivmeldung vom 18.11.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Hoffnung der Augsburger Staatsanwaltschaft, den mit internationalem Haftbefehl gesuchten Rüstungs-Lobbyisten Karlheinz Schreiber noch vor Weihnachten hinter Schloss und Riegel zu bringen, wird sich nach Informationen des ARD-Magazins "Report München" nicht erfüllen.
Schreiber hat am Donnerstag 16.11.) vor dem
Supreme Court of Canada, dem höchsten kanadischen Gericht, einen
wichtigen Etappensieg im Kampf gegen seine Auslieferung nach
Deutschland verbucht. Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk sagte
Schreiber: "Endlich habe ich das bekommen, was ich wollte." Kanadas
höchste Richter folgten dem Antrag Schreibers, vor einer Entscheidung
über die Annahme oder Ablehnung seiner Berufung gegen den
Auslieferungsbeschluss des Appellations-Gerichts der Provinz Ontario
Unterlagen zu seiner Entlastung vorlegen zu dürfen. Das ist
ungewöhnlich, weil sich der Supreme Court, ähnlich dem
Bundesgerichtshof, normalerweise nur mit Rechtsfragen beschäftigt.
Offenbar gibt es beim Supreme Court Zweifel an den Beschuldigungen
seitens der Augsburger Staatsanwaltschaft, die Schreibers
Auslieferung mit Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und Bestechung
begründet hat.
Schreiber, der die kanadische Staatsbürgerschaft besitzt, ist nach
Auffassung der Augsburger Justiz eine Schlüsselfigur im größten
deutschen Schmiergeldskandal um die Lieferung von 36 Fuchs-Panzern
des Thyssen-Konzerns nach Saudi-Arabien Anfang der neunziger Jahre.
Er soll dem ehemaligen Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls nach
dessen Geständnis ein Schwarzgeldkonto mit 3,8 Millionen Mark bei
einer Schweizer Bank eingerichtet haben. Den ursprünglichen Vorwurf
der Bestechlichkeit hatte die Justiz fallengelassen und nur noch von
Vorteilsnahme gesprochen. Für Max Strauß, den Sohn des früheren
bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, hatte Schreiber
nach den Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft 5,2 Millionen
Mark in der Schweiz gebunkert. Auch für zwei ehemalige
Thyssen-Manager soll Schreiber schwarze Konten in Zürich geführt und
ihnen Millionen ausgezahlt haben. Beweise dafür gibt es nicht. Die
Beschuldigten wurden in Indizien-Prozessen teils wegen
Steuerhinterziehung, teils wegen Untreue zu Gefängnisstrafen
verurteilt. Lediglich Pfahls hatte unter Druck des Gerichts
gestanden, 877 000 D-Mark von Schreiber bar bekommen zu haben.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Urteile weitgehend verworfen
und der Augsburger Justiz schwere Fehler nachgewiesen. Davon
profitiert nun auch Schreiber. Seine Anwälte argumentieren, dass er
in Augsburg kein faires Verfahren zu erwarten habe.
Bislang war Schreiber bei den kanadischen Gerichten mit seinen
Einsprüchen gegen die Auslieferung gescheitert. Seine Anträge, in
einem Beweisverfahren Dokumente zu seiner Entlastung vorlegen zu
dürfen, waren abgewiesen worden. Die Richter stellten sich auf den
Standpunkt, die im Augsburger Haftbefehl enthaltenen Vorwürfe seien
korrekt und reichten zu einer Verurteilung in Deutschland aus. Die
Bun-desrepublik sei ein Rechtsstaat, so dass dem Auslieferungsantrag
ohne Einschränkung nachzukommen sei.
Der Supreme Court sieht das nun ganz anders. Im Sommer dieses
Jahres hat er eine neue Rechtslage geschaffen, wonach die unteren
Instanzen Auslieferungsersuchen auch aus Rechtsstaaten sorgfältig
prüfen müssen. Kanadische Richter dürften sich nicht zu
"Stempel-Beamten" für die ausländische Justiz machen, entschied der
Supreme Court. Die Gerichte wurden verpflichtet, den Beschuldigten
umfangreich rechtliches Gehör zu gewähren und sich selbst in einem
Beweisverfahren von der Berechtigung eines Auslieferungsbegehrens zu
überzeugen. Das kommt Schreiber zugute. Innerhalb von sechs Wochen
müssen nun nach Maßgabe des Supreme Court die Fakten auf den Tisch.
Mit einer Entscheidung ist frühestens im Frühjahr 2007 zu rechnen.
Eventuell muss dann der Fall neu aufgerollt werden.
"Report München", Montag, 20. November 2006, 21.45 Uhr, im Ersten
Quelle: Pressemitteilung BR Bayerischer Rundfunk