US-Bespitzelung: Deutschland sieht "dringenden Aufklärungsbedarf"
Archivmeldung vom 08.06.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach den Berichten über die Bespitzelung von Ausländern durch US-Geheimdienste über Internet-Dienste wie Google und Facebook hat der Innenausschutz-Vorsitzende des Deutschen Bundestages, Wolfgang Bosbach (CDU), sich "äußerst besorgt" über die Vorgänge geäußert. Er halte dies "überhaupt nicht für einen Vorgang, der nur die USA betrifft," sagte Bosbach der "Welt". Er gehe davon aus, dass sich der Innenausschuss des Bundestages mit diesem Thema "intensiv beschäftigen" werde.
"Dabei beruhigen mich die Auskünfte aus den USA, es handele sich um Vorgänge, die amerikanische Staatsbürger und amerikanische Behörden beträfen, überhaupt nicht," so Bosbach weiter. Es sei in jedem Fall auch "unser Thema". Es sei bislang völlig unklar, auf welcher Rechtsgrundlage das Verhalten von Internetnutzern ausgeforscht worden sei. "Das bedarf dringend der Aufklärung", sagte Bosbach.
Polizeigewerkschaft sieht US-Internetüberwachung als Vorbild für Deutschland
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hat sich wohlwollend zur Überwachung von Telefon- und Internetdaten in den USA geäußert und ähnliches auch für Deutschland angeregt. "Ich habe die große Hoffnung, dass wir uns in Deutschland nicht länger auf unser Glück verlassen, sondern der Bevölkerung klipp und klar sagen, was zur Verbesserung polizeilicher Analysekompetenz nötig ist", sagte Wendt "Handelsblatt-Online". Das "wertvollste" Bürgerrecht sei immer noch der Schutz vor Terror und Kriminalität. "Präsident Barack Obama argumentiert mutig, entschlossen und er hat fachlich hundertprozentig recht", betonte Wendt. "Diese Politik wünschte ich mir auch in Deutschland und Europa."
Obama hatte am Freitag eingestanden, dass unter strenger Aufsicht des Parlaments und der Bundesgerichte Daten gesammelt würden. Er rechtfertigte die Aktion als einen Teil der Terrorbekämpfung. Den Berichten von "Washington Post" und "Guardian" zufolge hat der US-Geheimdienst NSA praktisch uneingeschränkten Zugriff auf Nutzerdaten von Google, Facebook, Microsoft oder Apple. Die Bundesregierung verlangte eine Aufklärung über die Vorgänge. Wendt verteidigte hingegen die USA und erklärte, Obama sei "voll und ganz" zuzustimmen. Er rede Klartext, wie es Deutschland und Europa auch dringend bräuchte. "Bei uns regieren völlig überzogener Datenschutz, föderaler Egoismus und wilde Überwachungsfantasien von Politikern, die den Menschen immer wieder einreden wollen, die Polizei würde sie bespitzeln und aushorchen", sagte Wendt. Im Ergebnis würden schwere Verbrechen nicht aufgeklärt, weil zum Beispiel Telekommunikationsdaten gelöscht seien. "Und statt über vernünftiges Datenmaterial unserer Meldeämter verfügen wir in Wahrheit über milllionenfache Phantomzahlen, die erst durch gelegentliche Volkszählungen aufgedeckt werden", fügte Wendt hinzu.
"Trotzdem denkt niemand daran, endlich ein zentrales Melderegister mit sachgerechten Plausibilitätsprüfungen einzuführen, damit die Daten auch ausgewertet werden können." Die Politik investiere lieber in "unfassbar schlechte" Bauprojekte, statt in "dringend notwendige" Auswertetechnik. Wendt wies in diesem Zusammenhang auf die Ermittlungen zur rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU hin. Immer noch säßen Beamte daran, Tag für Tag Hunderte von Akten durchzulesen, um Zusammenhänge aufzuspüren. "Das ist Ermittlungsarbeit wie im Mittelalter und könnte mit Hilfe moderne Analysesoftware binnen kürzester Zeit zuverlässig erledigt werden", sagte der Polizeigewerkschafter. "Man muss diese Technik endlich beschaffen, um Massendaten in komplizierten Großverfahren kriminologisch effektiv auswerten zu können."
Facebook dementiert Berichte über Zusammenarbeit mit US-Regierung
Facebook hat Berichte dementiert, wonach das Unternehmen mit US-Geheimdiensten zusammenarbeite und diesen den Zugriff auf die Server mit den Nutzerdaten gestatte. Diese Berichte seien "unverschämt", donnerte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg am Freitag auf seiner eigenen Facebook-Seite. "Facebook ist nicht und war nie Teil eines Programms, um die US-Regierung oder einer anderen direkten Zugang zu unseren Servern geben." Von dem sogenannten "PRISM"-Programm habe das Unternehmen auch erst diese Woche erfahren. Wenn Behörden Daten anforderten, würde jede einzelne Anfrage sorgfältig geprüft. Es würde "aggressiv" dafür gekämpft, die Daten der Nutzer zu schützen.
Der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) soll Zugang zu den Servern von Internetkonzernen wie Microsoft, Google, Facebook und Apple gehabt und Internetnutzer überwacht haben. Die Unternehmen bestreiten, davon gewusst zu haben.
Quelle: dts Nachrichtenagentur