Flüchtlinge: Polizeigewerkschaft fordert von EU mehr Einsatz
Archivmeldung vom 14.09.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn der Flüchtlingsdebatte hat die Deutsche Polizeigewerkschaft den Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, scharf kritisiert: "Die EU-Kommission ist aufgefordert, nun aus ihrer Zuschauerrolle herauszutreten und selbst zu handeln. Es reicht nicht, wenn Herr Juncker Reden hält und Vorschläge macht", sagte Verbandschef Rainer Wendt dem "Handelsblatt".
Die Kommission habe die Mittel und die Macht, in den jeweiligen Mitgliedsländern strukturelle Verbesserungen auf den Weg zu bringen. "Wir erwarten, dass dies auch geschieht und nicht weiter zwischen den einzelnen EU-Mitgliedern ausgetragen oder einfach in Deutschland abgeladen wird." Die Einrichtung von Grenzkontrollen bezeichnete Wendt als notwendig, "um wieder die Kontrolle über Reisebewegungen von Flüchtlingen zu bekommen, entstandene Sicherheitslücken zu schließen und für die Mitgliedsländer in der EU das deutliche Signal auszusenden, dass es so nicht weitergehen kann". Jetzt müssten die EU-Staaten "endlich ernsthaft darüber sprechen und zuverlässig vereinbaren", wie die Dublin-Regeln umgesetzt werden können. "Dazu zählen menschenwürdige Unterkünfte und Behandlung von Menschen, die nach Europa eingereist sind genauso wie der wirksame Schutz der europäischen Außengrenzen, rechtsstaatliche Asylverfahren und eine gerechte Verteilung anerkannter Asylsuchender auf die EU-Mitgliedsstaaten", sagte der Polizeigewerkschafter.
Die Grenzkontrollen seien aber nur ein erster Schritt, um eine europäische Asylpolitik auf den Weg zu bringen, sagte Wendt weiter. Er hält es zudem für "völlig selbstverständlich", dass damit die Reisefreiheit in Europa nicht abgeschafft werden solle. "Es wäre allerdings töricht, wenn man die zeitliche Begrenzung jetzt öffentlich machte", fügte Wendt hinzu. "Aus den Erfahrungen der Grenzkontrollen anlässlich des G7-Gipfels in Elmau sollte man genau dies nicht tun, sondern die Entscheidung darüber, wann wieder darauf verzichtet werden kann, offen halten."
Polizeigewerkschaft warnt vor "Illusionen" über Grenzkontrollen
Die Deutschen Polizeigewerkschaft hat davor gewarnt, sich "Illusionen" über die Wirkungen der neuen Grenzkontrollen zu machen. Der Vorsitzende Rainer Wendt sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag): "Das ist nicht die Lösung der Flüchtlingskrise, sondern ein kleiner Baustein. Die Maßnahmen haben eher eine Signalfunktion in die EU hinein, um die Mitgliedsländer zu solidarischem Verhalten zu bewegen."
Wendt betonte: "Es gibt keine Grenzschließung, es sind Kontrollen angeordnet." Ähnliches habe es schon einmal während des G7-Gipfeltreffens im bayerischen Elmau gegeben. "Und es hat sich gezeigt, dass auf diese Weise viele Straftäter aufgegriffen werden." Man könne also nicht sagen, dass solche Kontrollen überhaupt nichts bringen. Eine langfristige Lösung stellten sie aber nicht dar, wie die Entwicklung in Österreich schon jetzt zeige. "Das Land läuft voll mit Flüchtlingen, die nicht mehr weiterkommen."
Der Gewerkschaftschef sagte voraus, die Kontrollen würden vor diesem Hintergrund "wohl kaum über mehrere Monate hinweg aufrecht erhalten". Dafür sei die Bundespolizei personell auch nicht vorbereitet: "Das ist nicht zu schaffen mit dem derzeitigen Personal - zumindest nicht wirkungsvoll." Schon jetzt arbeite die Bundespolizei an der Belastungsgrenze.
Wendt beklagte, die beschlossene Aufstockung der Bundespolizei um 3000 Stellen bringe aktuell nichts, da diese Kräfte erst in zwei bis drei Jahren zur Verfügung stünden. Deshalb müssten jetzt alle Register gezogen werden. Die Bundespolizei brauche dringend die avisierten schnell verfügbaren 1000 Unterstützungskräfte sowie die 320 Neuausgebildeten, die der Zoll abordnen wolle. Zudem unterstütze er den Vorschlag, Polizeibeamte, die kurz vor der Pensionierung stehen, um eine Verlängerung der Dienstzeit zu bitten. Wendt: "Wenn man denen vernünftige Angebote macht, dann kommen die auch. Es geht ja darum, dem Land zu dienen in einer schwierigen Ausnahmesituation."
Quelle: dts Nachrichtenagentur / Neue Osnabrücker Zeitung (ots)