Unternehmer Reinhold Würth: Wir müssen Europa stärken und neuen Krieg vermeiden
Archivmeldung vom 10.11.2018
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Freigeschaltet durch André OttEuropa ist ein Leitthema für den Unternehmer Reinhold Würth. 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs plädiert der Schraubenmilliardär aus Künzelsau für eine kompromisslose Stärkung der EU, damit der Kontinent nicht zwischen Russland, China und den USA zerrieben wird. Und er hat den drängenden Wunsch, dass bei den Europawahlen europafreundliche Parteien gestärkt werden - und nennt die Grünen.
Im Interview mit der "Heilbronner Stimme" sagte der Unternehmer Reinhold Würth, der auch die Gedenkstätte Hartmannsweilerkopf finanziell unterstützt: "Wir müssen für unsere Kinder und Enkel vermeiden, dass es wieder Krieg gibt." Er ergänzte: "Die Bevölkerung hat keine persönliche Erfahrung mehr mit Kriegsereignissen. Wer einen Krieg mitgemacht hat, der ist mit einem Faktor zehn mehr daran beteiligt, jeden weiteren zu vermeiden, als diejenigen, die auch damals mit Hurra in die Schlacht gezogen sind, als wäre es eine Fußballveranstaltung. Wer Krieg erlebt hat, ist mit Sicherheit auch offener für die europäische Idee."
Er tritt deshalb für eine Stärkung Europas ein. Würth: "Dieser Hype gegen Europa, der durch den ganzen Kontinent geht, ist für mich eine riesengroße Katastrophe. Ich habe erlebt, dass man für die Amerikaner Ausweispapiere brauchte, um von Künzelsau nach Ernsbach zu kommen, wo wir unsere Schrauben gekauft haben. Deswegen ist für mich das Schengen-Abkommen ein riesiger Schatz, den die Jungen gar nicht mehr rekapitulieren und reflektieren können. Um den Bürgern diese Zusammenhänge verständlich zu machen, bedarf es der Aufklärung. Aber sie müssen auch hinhören, das tun viele gar nicht."
Würth fügte hinzu: "Man muss den Leuten klarmachen, dass wir in Deutschland riesige Vorteile haben, weil auch die Südländer im Euro sind. Wir sind die großen Profiteure des Euro. Wenn wir Griechenland, Spanien oder Italien im Rahmen eines Länderfinanzausgleichs unterstützen, ist das nur recht und billig." Und: "Die Menschen müssen begreifen: Wenn wir keine zentrale Außenpolitik und keine Zentralregierung schaffen, dann werden wir zwischen China, Russland und den USA zermahlen."
Für gefährlich hält der 83-Jährige Stimmungsmache in sozialen Medien. Würth: "Sie wissen, dass ich kein großer Freund von Frau Merkel bin, aber als sie gesagt hat, wir schaffen das.... Wir haben es geschafft. Viele, die über das Flüchtlingsproblem reden, haben nie einen Flüchtling gesehen. Die große Veränderung hat das Internet gebracht - mit Twitter und Instagram. Damit können die Leute innerhalb zwei Stunden eine Demonstration organisieren, da kommen 20.000 Leute zusammen. Das halte ich für sehr gefährlich."
Bezüglich der anstehenden Europawahlen sagte der Unternehmer: "Man muss so viel wie möglich für die EU werben. Und unbedingt sehen, dass bei der Europawahl nächstes Jahr Parteien rankommen, die Europa voranbringen wollen." Speziell hebt er in diesem Zusammenhang die Grünen hervor: "Wenn ich mir unser Parteienspektrum anschaue - die große Partei würde ich nicht wählen können: Die ist so eurozögerlich. Das ist bei den Grünen ganz anders. Die sind kompromisslos europafreundlich. Und Kretschmann, der ist nicht nur ein toller Landesvater, sondern ein weitsichtiger Europapolitiker."
Über die nähere Zukunft seines Unternehmens sagte er: "Wir werden sehen, wie alles weitergeht. Dieses Jahr fahren wir nochmal einen Umsatz- und Gewinnrekord ein. Fürs nächste Jahr bin ich nicht so zuversichtlich. Nach jedem Hype kommt der Abschwung. Ich habe schon öfter erlebt, dass das Klima innerhalb von zwei oder drei Wochen umschlägt. Wenn das passiert und die Arbeitslosigkeit steigt, bekommt die AfD zusätzlichen Auftrieb."
Auf die Frage - Und persönlich, wie blicken Sie da in die Zukunft? - antwortete Würth: "Recht nüchtern. Wenn Sie fast 84 Jahre alt sind, ist es logisch, dass da nicht mehr so viel kommen kann. Im Moment fühle ich mich wie 20, 30, 40. Aber ich bin mir bewusst, dass sich das jeden Tag ändern kann. Ich hoffe, dass ich das Ding in Würde voll überstehe."
Info: Reinhold Würth wurde 1935 in Öhringen geboren. Sein Vater Adolf gründete 1945 in Künzelsau eine Schraubenhandlung, aus der Reinhold Würth einen Konzern mit 12,7 Milliarden Euro Umsatz und 76.000 Mitarbeitern geformt hat. Reinhold (83) und Carmen (81) Würth haben drei Kinder, sechs Enkelkinder und eine Urenkeltochter.
Quelle: Heilbronner Stimme (ots)