Sonderzuweisungen für Kohleregionen dürfen nicht aus Mitteln für die Regionalpolitik abgezweigt werden
Archivmeldung vom 10.10.2019
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Freigeschaltet durch André OttDer Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) forderte am 9. Oktober, Kohleregionen beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen mit EU-Mitteln zu unterstützen. Die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der EU betonte jedoch, dass diese Unterstützung nicht zulasten anderer Regionen gehen darf.
Die Regional- und Kommunalpolitiker sprachen sich zum einen für Sondermaßnahmen zur Unterstützung mehrerer Dutzend Regionen aus. Zugleich verteidigen sie die EU-Haushaltsmittel für die regionale Entwicklung, die einige Staats- und Regierungschefs der EU erheblich kürzen möchten. Die Europäische Kommission hat die Kürzung der Kohäsionsfondsmittel für die regionale Entwicklung und die Einrichtung eines Fonds für einen fairen Übergang für die Kohleregionen vorgeschlagen. Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat jedoch nicht gesagt, woher die Mittel für diesen Fonds kommen sollen. Günther Oettinger, Kommissar für Haushalt und Personal, sprach am 9. Oktober auf einem Gipfeltreffen der Kohleregionen im AdR darüber, dass der neue Fonds die Kohäsionsmittel ergänzen solle und sagte: "Wir müssen 'frisches Geld' finden".
Die diesbezügliche Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen wurde von Mark Speich (DE/EVP), Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales des Landes Nordrhein-Westfalen, erarbeitet.
"Der Klimawandel ist eine gesamteuropäische Herausforderung", so Speich. "Der Strukturwandel in den Kohleregionen leistet einen entscheidenden Beitrag zur Verwirklichung unserer Klimaziele. Daher sollte die EU Kohleregionen im Übergang unterstützen und im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen eine finanzielle Unterstützung für ihren sozioökonomischen Wandel vorsehen. Um neue Investitionen anzustoßen, brauchen diese Regionen auch genügend Spielraum bezüglich der Wettbewerbsvorschriften."
"Ich begrüße den Vorschlag der designierten Kommissionspräsidentin für einen Fonds für einen fairen Übergang", so Speich weiter. "Dieser Fonds muss die sozialen, sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen des Strukturwandels in den europäischen Kohleregionen abfedern. Er sollte jedoch aus zusätzlichen Mitteln finanziert werden, und nicht über den Haushaltsrahmen für die europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Diese Finanzierung sollte eng mit der Kohäsionspolitik verzahnt sein. Diese zusätzlichen Mittel könnten dann dazu verwendet werden, die Programme des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und des Europäischen Sozialfonds für die betroffenen NUTS-2-Regionen in den nächsten sieben Jahren zu stärken."
Der AdR empfiehlt, dass die Unterstützung aus dem Fonds für einen fairen Übergang über die Programme des Kohäsionsfonds erfolgen sollte. Ebenso wird betont, dass die EU den nationalen, regionalen und lokalen Behörden zusätzlichen Spielraum für die Unterstützung von Unternehmen gewähren muss, die vom Kohleausstieg betroffen sind. Nach Ansicht des AdR sollten die 2020 auslaufenden Beihilfevorschriften überarbeitet werden. Es gilt "sicherzustellen, dass die Kohleregionen dabei eine ausreichende Flexibilität erhalten, um den Ausstieg aus der Kohle sozial und wirtschaftlich abfedern zu können".
Mark Speich hierzu: "Neue sozioökonomische Perspektiven für die Kohleregionen müssen jetzt entwickelt werden. Wenn sich die wirtschaftliche Lage in den Kohleregionen verschlechtert hat, ist es zu spät."
Viele der 350 AdR-Mitglieder kommen aus einer der 41 Regionen in 12 Mitgliedstaaten (einschließlich dem Vereinigten Königreich), in denen noch Kohle gefördert wird. Der AdR empfiehlt diesen Regionen, bei der Anpassung ihrer Wirtschaftssysteme untereinander sowie mit den nationalen Ebenen und der EU zusammenzuarbeiten, um Doppelarbeit zu vermeiden und Erfahrungen auszutauschen. Zu den Empfehlungen des AdR gehören zusätzliche Berufsbildung, die Gründung technischer Hochschulen, die Entwicklung eines innovationsfreundlichen Umfelds und die Digitalisierung als entscheidende Instrumente für die Diversifizierung ihrer Wirtschaftssysteme.
In der AdR-Stellungnahme wird auch auf das Entwicklungspotenzial der Stärken dieser Regionen hingewiesen. Der Strukturwandel in diesen Regionen sollte auf den vorhandenen industriellen und energiewirtschaftlichen Strukturen basieren. Dabei sollten die Innovations- und Investitionszyklen der industriellen Akteure berücksichtigt und auf Industriecluster, betriebliche Kompetenzen und Forschungskapazitäten aufgebaut werden.
An einer am 9. Oktober vom AdR organisierten hochrangigen Konferenz über den Strukturwandel in Kohleregionen nahmen Minister und Regionalpolitiker aus elf Kohleregionen in acht Mitgliedstaaten sowie Günther Oettinger, für Haushalt und Personal zuständiges Mitglied der Kommission, teil.
Reiner Haseloff, Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, hierzu: "Der Kohleausstieg Deutschlands ordnet sich ein in die europäische und globale Klimapolitik. Es ist damit auch im ureigenen Interesse der EU, das nationale Engagement zu unterstützen. Deshalb ist es folgerichtig, dass sich die EU mit der Bereitstellung geeigneter Förderinstrumente und weiteren Maßnahmen beteiligt. Der Kohleausstieg bringt erhebliche Veränderungen für Bürger und Unternehmen in den Revieren mit sich, verbunden mit Sorgen über steigende Energiekosten und mögliche Arbeitsplatzverluste. Unser aller Verantwortung ist es nun, neue Perspektiven zu schaffen. Andernfalls drohen Abwanderung und der Wegfall von Kaufkraft und Wertschöpfungsketten."
Dr. Kirsten Scholl, Ministerialdirektorin der Abteilung Europapolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, hierzu: "Die Reduzierung der Kohleverstromung ist ein wichtiger Teil der Klimapolitik. Der Ausstieg aus der Kohle muss zu einer Chance für die betroffenen Regionen werden. Die Kohäsionspolitik ist ein ausgesprochen geeignetes Mittel zur Unterstützung des sozioökonomischen Wandels in den Kohleregionen. Daher begrüße ich die aktuelle europäische Debatte zu diesem Thema sehr, in der auch die Beihilfethematik berücksichtigt werden muss."
Der Vorschlag zur Schaffung eines Fonds für einen fairen Übergang ist ein wichtiger Bestandteil des von Ursula von der Leyen vorgelegten Programms, die ihr Amt als Präsidentin der Europäischen Kommission am 1. November antreten wird. Die designierte EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen, Elisa Ferreira, sagte am 2. Oktober vor dem Europäischen Parlament zu, innerhalb von 100 Tagen nach ihrem Amtsantritt einen Vorschlag für den Fonds vorzulegen. Eine weitere erste Aufgabe der neuen Kommission ist es, eine Übereinkunft mit den EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament über den EU-Haushalt für 2021-2027 zu erzielen.
Der Kohleausstieg dürfte in Bulgarien, Tschechien, Deutschland, Polen, Rumänien, Spanien und dem Vereinigten Königreich zu zahlreichen Arbeitsplatzverlusten führen. Auch in Griechenland, der Slowakei und Slowenien ist mit Entlassungen zu rechnen. In einer Studie wird davon ausgegangen, dass die sozialen Folgen in der griechischen Region Westmakedonien und der rumänischen Region Südwest (Oltenien) am gravierendsten sein werden.
Quelle: Europäischer Ausschuss der Regionen (ots)