Iran: Reporter ohne Grenzen verurteilt Ausweitung der Online-Zensur
Archivmeldung vom 16.12.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.12.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert die Ankündigung des Teheraner Generalstaatsanwaltes Abbas Dschafari Dolatabadi vom 15. Dezember, gegen zwei Nachrichtenseiten des politisch konservativen Lagers vorzugehen: Die Websites "Jahannews" und "Alef news" sollen laut Dolatabadi den Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad "beleidigt" haben.
"Ayandenews", eine weitere Nachrichtenseite der politisch konservativen Richtung, ist bereits seit dem 6. Dezember gesperrt.
ROG sieht in den geplanten Zensurmaßnahmen eine beispiellose Ausweitung der Internetzensur auch auf frühere Unterstützer der Regierung: "In den vergangenen Monaten hat die Regierung ihre repressive Strategie kontinuierlich weiter entwickelt: Immer mehr unabhängige und oppositionelle Medien sowie Websites wurden zensiert, geschlossen oder gesperrt. Nun beginnt das Regime mit der Säuberung innerhalb von Gruppierungen, die jahrelang als Unterstützer des Präsidenten galten", so ROG. "Ahmadinedschad macht ein weiteres Mal deutlich, dass er keine abweichenden Meinungen in den Medien toleriert", kritisiert ROG.
Eigentümer der Nachrichtenseite "Alef News" ist der Parlamentarier Ahmed Tawakoli: Er gehört zu den führenden Persönlichkeiten der konservativen Fraktion, die den Staatspräsidenten häufig kritisiert hat und im vergangenen Jahr eine Kampagne gegen dessen ehemaligen Innenminister Ali Kordan geführt hat. Kordan musste laut Parlamentsbeschluss zurücktreten, nachdem bekannt wurde, dass er seinen Doktortitel der Universität Oxford zu Unrecht führt. Im Oktober kritisierte die Website unter anderem Ahmadinedschads öffentliche Äußerungen über dessen politischen Gegner. Diese verbalen Angriffe seien für die Unruhen nach der Präsidentschaftswahl mit verantwortlich gewesen, so "Alef News".
Betreiber von "Jahannews (http://www.jahannews.com/) ist Aliresa Sakani, der bis zu den Ereignissen der vergangenen Monate noch als Unterstützer Ahmadinedschads galt. Wie er haben sich immer mehr Vertreter konservativer Gruppierungen von der Regierungspolitik infolge der brutalen Niederschlagung der Demonstrationen distanziert.
Die Betreiber der gesperrten Website "Ayandenews" (http://www.ayandenews.com/) werden beschuldigt, "Regierungsbeamte beleidigt zu haben". Dieser Vorwurf wurde in den vergangenen zwölf Jahren wiederholt dazu missbraucht, Zeitungen zu schließen, Websites zu blockieren und Journalisten und Blogger festzunehmen.
Inzwischen wurde der Blogger Mohammed Pur Abdullah am 14. Dezember zu sechs Jahren Gefängnis wegen angeblicher regierungsfeindlicher Veröffentlichungen und Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit verurteilt: Der Herausgeber des Blogs "Pishro" (übersetzt: Avantgarde) http://www.feuer17.blogspot.com/ wurde am 12. Januar 2009 festgenommen, nachdem er über Haftbedingungen im Iran und über Verhörmethoden von Geheimdienstagenten berichtet hatte.
Mehr als 100 Medienschaffende wurden seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 12. Juni im Iran festgenommen. 28 Journalisten und Blogger sitzen immer noch im Gefängnis.
Zudem sind seit der islamischen Revolution von 1979 noch nie so viele Journalisten aus dem Iran geflüchtet. ROG allein weiß von mehr als 50 Journalisten und Bloggern, die das Land verlassen mussten, um ihrer Verfolgung zu entgehen.
Quelle: ROG