Waigel hält Aufhebung von Defizit-Obergrenze in Eurozone für richtig
Archivmeldung vom 25.03.2020
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Freigeschaltet durch André OttDer ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) hält die erstmalige Aufhebung der Defizit-Obergrenze in der Eurozone ebenso für richtig wie das Hilfspaket der Bundesregierung.
Waigel, der als Bundesfinanzminister 1992 mit Hans-Dietrich Genscher den Maastricht-Vertrag unterzeichnete und 1996 die Defizit-Obergrenze mit aushandelte, sagte der "Welt" zum Zustandekommen dieser Grenze und zu ihrer befristeten Aussetzung: "Am Ende einigten wir uns auf eine Regelung, dass man die Regeln bei einer Rezession von mindestens zwei Prozent aussetzen kann. Und ebenso bei einer Rezession von 0.75 bis zwei Prozent, wenn relevante Umstände hinzutreten."
In diesen Fällen könne auch "finanzieller Beistand nach Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährt werden". Ein solcher Fall liege jetzt vor. "Es wird in jedem Mitgliedstaat einen Rückgang des Bruttosozialprodukts um mindestens zwei Prozent geben. Die EU-Kommission hat jetzt also richtig gehandelt. Das ist keine Vertragsverletzung. Es ist richtig, den Mitgliedstaaten jetzt eine höhere Verschuldung zuzugestehen. Auch Deutschland wird in diesem Jahr die Kriterien von Maastricht unterschreiten", so der frühere Finanzminister weiter.
Das Hilfspaket der Bundesregierung sei ebenfalls "richtig und notwendig".
Die Bundesregierung müsse "gleich am Anfang der Krise zeigen, dass sie sich den Herausforderungen stellt, dass sie die ungeheure Dimension des Problems erkannt hat. Das ist der typische Fall einer richtigen antizyklischen Aktion mit automatischen Stabilisatoren", so der CSU-Politiker. Die relativ "solide Finanzpolitik in den vergangenen Jahrzehnten, nicht zuletzt dank niedriger Zinslasten", eröffne jetzt diesen Spielraum.
"Dass das alles schnell beschlossen wird, zeigt doch, die verfassungsmäßige Ordnung in Deutschland funktioniert", sagte Waigel der "Welt".
Die Politik der Haushaltsdisziplin dürfe aber nicht über Bord geworfen werden. Die Versuchung dazu bestehe, aber man müsse "der Versuchung widerstehen. Und zwar mit einer klaren ordnungspolitischen Antwort auf der Basis der Sozialen Marktwirtschaft. Auch sozialdemokratische Politiker von Karl Schiller bis Olaf Scholz waren und sind der Meinung, dass in guten Zeiten gespart und konsolidiert werden muss, um für schwierige Zeiten etwas in der Reserve zu haben", so der ehemalige Finanzminister weiter. Er verwies auch darauf, dass Italien ohne den Euro vor dem Scheitern stünde. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt habe sich "für Länder wie Italien als segensreich erwiesen". Nur durch den Zwang zur Konsolidierung verfügten sie jetzt "über relative Spielräume. Hätte Italien seine Verschuldungspolitik der 70-er und 80-er Jahre fortgesetzt, dann hätte es heute keinen Spielraum, um der Krise mit einer höheren Verschuldung zu begegnen. Wenn es den Euro nicht gäbe, wäre Italien jetzt am Ende", sagte Waigel der "Welt".
Quelle: dts Nachrichtenagentur