Studie: Fiskalpakt bleibt ohne Vertragsänderung wirkungslos
Archivmeldung vom 14.03.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer von den Staats- und Regierungschefs beschlossene Fiskalpakt wird Europa nicht zu neuer und robuster Währungsstabilität zurückführen. Seine Schlagkraft werde nicht ausreichen, der Europäischen Währungsunion mehr Stabilität zu verleihen. Dazu würden dem Fiskalpakt die notwendigen Regelungen fehlen. Voraussetzung sei eine von allen EU-Mitgliedsstaaten akzeptierte Änderung des EU-Vertrages. Das geht aus einem heute veröffentlichten Gutachten hervor, dass ein Autorenteam aus Ökonomen und Rechtswissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellt hat.
Zwar enthalte der Fiskalpakt sinnvolle Regelungen, wie zum Beispiel die Pflicht zur Einführung nationaler Schuldenbremsen, doch aufgrund der Weigerung Großbritanniens und Tschechiens den Fiskalpakt mitzutragen, fehle dem Regelwerk die notwendige Rechtsgrundlage, um in letzter Konsequenz Stabilität zu garantieren.
"Der Fiskalpakt wird wahrscheinlich, wie schon der Wachstums- und Stabilitätspakt, ein Papiertiger bleiben", befürchtet der Geschäftsführer der INSM, Hubertus Pellengahr. Großbritannien und Tschechien müssten an den Verhandlungstisch zurückkehren und der Fiskalpakt ins europäische Primärrecht überführt werden. "Nur wenn alle 27 Mitgliedsstaaten den Pakt unterzeichnen, erhält er eine Rechtsgrundlage und damit die notwendige Durchsetzungskraft", erläutert Prof. Dr. Christoph Ohler, Rechtswissenschaftler und Mitautor des Gutachtens.
Die Wissenschaftler schlagen ein sechs Punkte umfassendes Konzept für einen ganzheitlichen, an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientierten Ordnungsrahmen vor. "Die Krisenpolitik setzt zum Teil die marktwirtschaftlichen Mechanismen außer Kraft. Es hat sich aber in der Krise erwiesen, dass es kein wirkungsvolleres Disziplinierungsinstrument für Regierungen als den Markt gibt", erklärt der Wirtschaftswissenschaftler und Mitautor Prof. Dr. Andreas Freytag.
Das 6-Punkte-Konzept schlägt eine Änderung im Aufsichtsrecht von Finanzinstituten vor. Danach sollen Staatsanleihen in den Bilanzen der Institute risikogewichtet werden. Damit würde die Disziplinierungsfunktion der Märkte gestärkt werden. Zweitens müsse neben der Nettoneuverschuldung auch die Bruttoneuverschuldung stärker überwacht werden. Alte Schulden mit neuen Schulden zu bedienen, bärge langfristig enorme Risiken. Drittens solle die Nettokreditaufnahme von Ländern, die trotz Sanktionsandrohungen ihre Haushalte nicht ausreichend nachbesserten, einer Genehmigung durch den Rat unterliegen. Viertens schlagen die Forscher vor, eine Austrittsmöglichkeit aus der EWU als Ultima Ratio vertraglich zu verankern. So würde das Erpressungspotential von Krisenländern schwinden. Der fünfte Punkt regelt den Umgang mit dem permanenten Rettungsschirm ESM. Zugang zu den Mitteln dürfe es nur geben, wenn ein Land alle Reformbedingungen erfüllt hat, aber dennoch in eine Schieflage gerät. Im sechsten Punkt fordern die Forscher eine Wachstumsstrategie für Europa. Strukturreformen müssten darauf abzielen, das Wirtschaftswachstum in den Mitgliedsländern zu steigern. "Nachhaltiges Wachstum ist der Schlüssel für Schuldenabbau und zur Sicherung der Stabilität in Europa", so Hubertus Pellengahr.
Quelle: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) (ots)