Köhler wirft Europa "Heuchelei" in Afrika-Politik vor 150 Milliarden Euro Infrastruktur-Bedarf jährlich
Archivmeldung vom 07.10.2016
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Freigeschaltet durch André OttEinen Tag vor der Afrika-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der frühere Bundespräsident Horst Köhler dem Westen in der Afrika-Politik Heuchelei und koloniales Denken vorgeworfen und ein milliardenschweres Investitionsprogramm gefordert. "Wir haben die Bedeutung Afrikas zu lange unterschätzt. Ich will mal die Dimension zuspitzen: Die Entwicklung dieses Kontinents ist für den Westen genauso wichtig wie die Verhinderung eines neuen Kalten Krieges mit Russland", sagte Köhler der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post".
"Afrika ist eine historische Aufgabe, die Europa und der Westen viel zu lange vernachlässigt haben." Auf die Frage, ob es noch altes Kolonialdenken im Westen gebe, sagte Köhler. "Im Prinzip ja. Der Westen nimmt Afrika oft nur als Verlängerung seiner eigenen kurzfristigen Interessen wahr. Der Aufstieg Afrikas gelingt aber nur, wenn die Heucheleien von beiden Seiten aufhören und man ehrlich zum gegenseitigen Nutzen zusammenarbeitet."
Dass die Bundesregierung nun mehr Geld für Afrika ausgeben wolle, sei richtig, so Köhler. "Aber Geld alleine reicht nicht. Wir brauchen eine viel strategischere Wirtschaftspolitik für Afrika, die vor allem darauf ausgerichtet ist, dort Arbeitsplätze und Einkommen zu schaffen." Der deutsche Mittelstand könnte zum Ausrüster des afrikanischen Wachstums werden. "Wir haben den Chinesen viel zu lange das Feld überlassen", so Köhler.
Die Bundesregierung sollte über eine Ausweitung der Absicherungsinstrumente vor allem für Mittelständler nachdenken. Allein der Infrastrukturbedarf in Afrika belaufe sich auf jährlich 150 Milliarden Euro, betonte Köhler, der mit Kofi Annan derzeit eine UN-Kommission zur Beratung der afrikanischen Entwicklungsbank leitet. Den Besuch der Kanzlerin morgen in Äthiopien wertete Köhler als "gutes Zeichen".
Gerade in der Sicherheitspolitik gebe es eine neue ermutigende Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika. Wenn sich Afrika positiv entwickele, profitiere Europa. "Wenn der Kontinent aber im Chaos versinkt, dann wird das vor allem Europa riesige Probleme bereiten. Deshalb muss Afrika ein Kernthema europäischer Außenpolitik werden", sagte Köhler.
Quelle: Rheinische Post (ots)