75 Jahre Kriegsende: Juncker warnt vor Re-Nationalisierung EZB-Urteil freue Ungarn und Polen
Archivmeldung vom 07.05.2020
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Freigeschaltet durch André OttEinen Tag vor dem 75. Jahrestag des Weltkriegsendes am 8. Mai hat der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor einer Re-Nationalisierung gewarnt.
Im Inforadio vom rbb sagte er am Donnerstag, in der Anfangsphase der Corona-Krise habe es diesen Hang im Denken und Handeln gegeben; das schmerze ihn sehr: So habe "jedes Land sein eigenes Corona-Süppchen gekocht, statt sich mit den Nachbarn abzusprechen. Es ist ein normaler Reflex geworden."
Es sei "erstaunlich, dass die Binnengrenzen in Europa wieder geschlossen werden", so Juncker weiter, "man merkt, dass das in eine Sackgasse führt. Dann nimmt man die Kurve, macht halt und kehrt um, aber am Anfang ist immer der nationale Reflex ausschlaggebend". Im Falle der Corona-Krise sei das aber fast verständlich, so Juncker, "weil die EU ja keine Kompetenzen im Bereich der Gesundheitspolitik hat". In Luxemburg würden am 9. Mai, dem Europatag, "sämtliche Europafahnen entlang der Mosel auf Halbmast gesetzt, (...) wegen der Schließung der deutschen Grenze", sagte Juncker.
Er berichtete auch, dass seine Familie im besetzten Luxemburg im Krieg besonders gelitten habe: So wurden sein Vater und drei seiner Brüder "gleichzeitig in die deutsche Wehrmacht zwangsrekrutiert"; sie "kamen, über ganz Europa verteilt und verstreut, in diverse Kriegseinsätze. Der 8. Mai - für meine Familie und mein Land - war ein Tag der Befreiung."
Juncker warnte außerdem vor den Folgen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Dieses habe das Doppelprinzip in Frage gestellt, wonach europäisches Recht Vorrang hat. Hierüber freue man sich in Polen und Ungarn, so Juncker: Dort werde es in Zukunft heißen, wenn sich die Deutschen nicht an Urteile des Europäischen Gerichtshofs halten, werden wir das auch nicht tun.
Quelle: Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) (ots)