Russland-Beauftragter fürchtet russischen Korridor zur Krim
Archivmeldung vom 29.08.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), fürchtet eine weitere Invasion russischer Truppen in die Ukraine: "Die zuletzt in der Gegend von Mariupol beobachteten Bewegungen lassen die Deutung zu, dass Moskau einen Korridor zur Krim plant. Zumindest kann man eine solche Absicht nicht ausschließen", sagte er "Bild".
Ukrainische Regierungsvertreter hatten Russland am Donnerstag eine "Invasion" in der Ost-Ukraine vorgeworfen. Ein hoher Nato-Vertreter sagte zudem, "deutlich mehr als Tausend" russische Soldaten würden an der Seite der Separatisten kämpfen.
Obama und Merkel: Russland verantwortlich für die Krise
US-Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel machen Russland für die Eskalation in der Ost-Ukraine verantwortlich. Sie seien sich in einem Telefonat darüber einig gewesen, "sofern bislang überhaupt Zweifel daran bestanden", sagte Obama am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) in Washington. Russland bewaffne und finanziere die Separatisten. Die Bundeskanzlerin hatte zuvor angekündigt, dass die Europäische Union bei ihrem Sondergipfel in Brüssel am Samstag über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland beraten will.
Experte: Krieg zwischen Russland und dem Westen möglich
Der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, Joachim Krause, hält einen Krieg zwischen Russland und dem Westen für möglich, sollte der Westen jetzt angesichts der eskalierenden Lage in der Ukraine nicht deutlich Flagge zeigen. "Einen Krieg zwischen Russland und dem Westen sehe ich derzeit nicht aufziehen, aber wenn der Westen jetzt nicht mit der notwendigen Entschlossenheit und Effektivität reagiert, könnte ein Krieg in wenigen Jahren eine reale Möglichkeit werden", sagte Krause "Handelsblatt-Online".
Die Tatsache, dass die russische Invasion in der Ukraine eine Woche vor dem Nato-Gipfel stattfindet, zeige, dass Kremlchef Wladimir Putin den Westen grundsätzlich herausfordert. "Wir sollten uns darauf einstellen und diese Realität nicht länger verleugnen." "Was wir in diesen Tagen erleben, ist eine bewaffnete Aggression Russlands gegen die Ukraine", sagte Krause weiter. Er verwies auf die Aggressionsdefinition der Vereinten Nationen von 1974. Danach sei auch "die Entsendung durch oder namens eines Staates von bewaffneten Banden, Gruppen, Irregulären oder Söldnern" als zwischenstaatliche Aggression zu werten, "wenn diese von einer solchen Schwere ist, dass sie in ihren Folgen einer regulären Invasion gleichkommt". Damit sei die Politik der Bundesregierung gescheitert, mit einer Deeskalationsstrategie Moskau davon abzuhalten in der Ukraine militärisch zu intervenieren "Die Bundesregierung wird sich jetzt eine Eskalationsstrategie einfallen lassen müssen", betonte der Kieler Politikwissenschaftler. Das bedeute "verschärfte, effektive Wirtschaftssanktionen" wie der Boykott von Gaslieferungen und Ölimporten sowie auch die Entsendung "signifikanter westlicher Truppen" ins Baltikum, nach Polen und nach Rumänien. Das binde russische Truppen, die ansonsten gegen die Ukraine eingesetzt werden könnten.
"Auch sollten Waffenlieferungen westlicher Staaten an die Ukraine kein Tabu mehr sein", fügte Krause hinzu. "Ob die Bundesregierung dazu den Mut und die Kreativität aufbringt, bleibt abzuwarten. Spätestens beim Nato-Gipfel am 4. und 5. September wird sie Flagge zeigen müssen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur