Wolfgang Gehrcke: An der Schwelle eines neuen Nahost-Krieges
Archivmeldung vom 31.08.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"US- Präsident Obama plant eine 'begrenzte' Militäraktion gegen Syrien. Die wird es nicht geben. Ein Angriff auf Syrien wird die gesamte Nahost-Region, wird den Libanon, Jordanien, Iran, Irak mit in seinen Strudel reißen und auch Israel, Ägypten und die Türkei nicht unberührt lassen", erklärt der Obmann der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss, Wolfgang Gehrcke, zur aktuellen Entwicklung im Syrien-Konflikt.
Gehrcke weiter: "Anders als Colin Powell am Vorabend des Irak-Krieges, erspart sich US-Präsident Obama in seinem Dossier mit "Beweisen" die Peinlichkeit, rasch der marktschreierischen Lüge überführt zu werden. Dafür bleibt er im Ungefähren zum Schutz der geheimdienstlichen Quellen. Ich fordere die Bundesregierung auf, Einsicht in alle Quellen des Obama-Dossiers zu verlangen. So viel Offenheit und Vertrauen muss unter Freunden möglich sein.
Unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Obama-Dossiers, hat der Präsident bereits jetzt den UN-Sicherheitsrat ausgeschaltet und allein die USA "unilateral", wie er sagt, zum Weltpolizisten gemacht. Das ist sehr gefährlich. Doch die Welt ist nicht mehr unilateral, deshalb wird diese Position brechen.
International erhält US-Präsident Obama lautstark Beifall ausschließlich von Frankreichs Präsident Hollande, er ist noch in der Kolonialgeschichte der Grande Nation verhaftet, und vom Grünen Cohn-Bendit, einem Bellizisten der Neuzeit.
Nichts und niemand kann einen Krieg gegen Syrien rechtfertigen. Selbst die "Bestrafung" eines Chemiewaffeneinsatzes mit einem Militärschlag wäre ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.
Ich fordere den Bundestag auf, sich am britischen Unterhaus ein Beispiel zu nehmen und umgehend in der Sondersitzung am 2. und 3. September an der Schwelle eines neuen Nahostkrieges zu beschließen: Deutschland wird sich daran weder direkt, etwa mit den Patriot-Raketen, noch indirekt, etwa durch die Gewährung von Überflugsrechten, beteiligen.
Jan van Aken: Dünne Beweislage und fehlende Belege
"Kein Gericht der Welt würde auf der Grundlage einer so dünnen Beweislage eine Klage annehmen", kommentiert der stellvertretende Parteivorsitzende und Mitglied im Spitzenteam der LINKEN zur Bundestagswahl, Jan van Aken, den von der US-Regierung vorgelegten Bericht, dass das Assad-Regime den Chemiewaffen-Angriff bei Damaskus durchgeführt habe.
Der Bericht erinnert an den Report der USA, mit dem der Irakkrieg 2003 begonnen wurde. Die von Außenminister Kerry vorgetragenen Argumente sind fadenscheinig:
1. Assad verfüge über Chemiewaffen und die entsprechende Munition. Das ist richtig. Die These, dass die Rebellen darüber nicht verfügen, ist jedoch kaum haltbar. Sowohl durch Überläufer als auch bei der Eroberung von Armee-Stützpunkten können die Rebellen leicht an diese Waffen kommen können.
2. Assad habe bereits mehrfach in diesem Jahr chemische Waffen eingesetzt. Deshalb sei ihm zuzutrauen, dass er es wieder war. Dieses Argument ist erstens nicht belegt und zweitens ein Zirkelschluss.
3. Kurz vor dem Angriff mit chemischen Waffen seien Truppen des Regimes gesehen worden, die chemische Munition vorbereitet hätten. In der Nähe der möglichen Abschussorte seien Regimeangehörige mit Gasmasken gesehen worden. Auf den ersten Blick eines der gewichtigeren Argumente, allerdings bleibt die Quelle unklar. Falls dies auf Berichten von Geheimdienst-Informanten beruht, müssen diese Angaben allerdings mit größter Vorsicht betrachtet werden - auch der Verdacht auf mobile Biowaffen-Labore im Irak 2003 beruhte auf Geheimdienst-Informanten.
4. Nach dem Angriff mit Chemiewaffen seien Gespräche abgehört worden, unter anderem von einem höherrangigen Offiziellen (official, nicht officer), der den Einsatz von Chemiewaffen bestätigt habe und über eine Entdeckung durch die UN-Inspekteure besorgt gewesen sei. Mir ist unklar, warum die Mitschnitte dieser Gespräche nicht schon lange veröffentlicht wurden, wenn sie denn so eindeutig sind. Bei abgehörten Gesprächen kann Quellenschutz ja nicht das Problem sein.
Insgesamt ist die Beweislage sehr viel dünner als im Jahre 2003. Ich fordere die Bundesregierung auf, ihr ganzes politisches Gewicht dafür einzusetzen, einen amerikanischen Bombenangriff zu verhindern. Bomben schaffen keinen Frieden. Die Menschen in Syrien brauchen dringend humanitäre Hilfe.
Quelle: Fraktion DIE LINKE. (ots)