Neue Amnesty-Generalsekretärin Callamard will Anwendung des Weltrechtsprinzips ausweiten
Archivmeldung vom 30.03.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie neue Generalsekretärin von Amnesty International (AI), Agnès Callamard, setzt sich dafür ein, das Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit, das sogenannte Weltrechtsprinzip, bei der Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen breiter anzuwenden. "Die universelle Gerichtsbarkeit war bislang relativ unerforscht, oder sie wurde sicherlich zuweilen nicht in vollem Umfang erforscht."
Mittlerweile gebe es mehr Expertise, auch unter Richtern; NGOs und Anwälte hätten sich darauf spezialisiert. "Ich denke also, wir werden mehr und mehr solcher Fälle sehen, und das ist gut so", sagte Callamard im Interview mit der Tageszeitung "nd.DerTag".
Bevor die französische Menschenrechtsexpertin am Montag den Posten als AI-Generalsekretärin übernommen hat, war sie seit 2016 UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen. In dieser Funktion untersuchte sie unter anderem die Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khaschoggi. Demnach waren saudische Regierungsbeamte in das Verbrechen verwickelt, die Rolle des Kronprinzen Mohammed bin Salman müsse weiter untersucht werden. Callamard begrüßt die Strafanzeige von Reporter ohne Grenzen Deutschland beim Generalbundesanwalt, die sich auch gegen den saudischen Kronprinzen richtet: "Wir wissen, dass die saudische Justiz nicht in der Lage oder nicht willens sein wird, den Drahtzieher hinter der Ermordung von Jamal Khaschoggi ins Visier zu nehmen und zu ermitteln. Wenn wir also Gerechtigkeit im formalen Sinne des Wortes wollen, dann müssen wir woanders suchen als in Saudi-Arabien", so Callamard.
Agnès Callamard wendet sich scharf gegen außergerichtliche Hinrichtungen wie die des iranischen Generals Qasem Suleimani, der im Januar 2020 durch einen Drohnenangriff der USA getötet wurde. Als erfahrene Völkerrechtsexpertin widerlegt sie alle Argumente von Staaten, die die Rechtmäßigkeit derartiger Aktionen für sich in Anspruch nehmen. Dabei gehe von den hingerichteten Personen fast nie eine unmittelbare, direkte Bedrohung aus, sondern "diese Personen werden wegen der potenziellen Bedrohung, die sie darstellen, wegen ihrer vergangenen Aktivitäten, wegen ihres gegenwärtigen Engagements getötet", erklärt Callamard, quasi prophylaktisch. Von Selbstverteidigung könne keine Rede sein und damit seien die Tötungen schlicht ungesetzlich.
Quelle: nd.DerTag / nd.DieWoche (ots)