EU treibt Tausende Bootsflüchtlinge zurück nach Afrika
Archivmeldung vom 05.10.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie EU-Grenzschutzagentur "Frontex" hat im vergangenen Jahr 5.969 Menschen auf See abgefangen und nach Afrika zurückgeschickt. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" heute Abend um 21.45 Uhr im ERSTEN. Die Abfangmanöver wurden im Rahmen der Operation "Hera 2008" durchgeführt. Deutschland stellt für Frontex-Einsätze Bundespolizisten sowie Hubschrauber und leistet finanzielle Unterstützung.
Flüchtlinge aus dem Senegal beschreiben in "Report Mainz", wie ihr Boot auf See aufgebracht wurde: "Wir hatten nur noch drei Tage zu fahren, da hat uns ein Polizeischiff aufgehalten. Sie wollten uns kein Wasser geben. Sie haben gedroht, unser Boot zu zerstören, wenn wir nicht sofort umkehren. Wir waren fast verdurstet und hatten auch Leichen an Bord. Trotzdem mussten wir zurück nach Senegal." Amnesty International, Pro Asyl und der Evangelische Entwicklungsdienst bestätigen auf Anfrage von "Report Mainz" übereinstimmend solche Berichte.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist für die deutsche Beteiligung an den Frontex-Einsätzen verantwortlich. Im Interview mit "Report Mainz" bestreitet er, dass Flüchtlinge auf hoher See zurückgeschickt werden: "Wer in Not ist und Flüchtling ist, hat einen Anspruch auf Aufnahme und wer auf hoher See ist, wird nicht zurückgeschickt, sondern es gelten die Regeln der Genfer Konvention." Zurückweisungen auf See seien mit der geltenden Rechtslage unvereinbar. Schäuble wörtlich: "Das ist gegen alle Regeln." Zu den Frontex-Zahlen erklärt der Bundesinnenminister gegenüber "Report Mainz": "Solche Zahlen sind mir nicht bekannt."
Der Vizefraktionschef der Konservativen (EVP) im Europäischen Parlament, CSU-Politiker Manfred Weber, widerspricht Schäuble: "Wir haben leider Gottes Meldungen auf dem Tisch liegen, wo kollektiv zurückgeführt wird, ohne Einzelfallprüfung und das ist definitiv mit europäischem Recht nicht zu vereinbaren."
Für den Völkerrechtler Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte werden die Menschenrechte von Frontex "momentan systematisch unterlaufen". Wörtlich sagt der Jurist: "Es liegen Berichte vor und auch Fakten seitens Frontex, dass es immer wieder zu Einsätzen kommt durch Schiffe, die Flüchtlingsboote abdrängen. Und eine solche Praxis ist ganz klar mit der Genfer Flüchtlingskonvention und mit der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht zu vereinbaren."
Pastor Renke Brahms, Friedensbeauftragter des Rats der Evangelischen Kirche Deutschlands, kritisiert gegenüber "Report Mainz" die gängige Praxis der EU-Grenzsicherung auf See: "Das finde ich passt einfach nicht zu einer Europäischen Union, die sich die Menschenrechte als Maxime gesetzt haben. Wie soll das funktionieren, mit diesem hohen Anspruch, wenn dann Flüchtlinge auf diese Weise in den Tod getrieben werden?" Nach Angaben der Vereinten Nationen versuchten im vergangenen Jahr 67.000 Menschen, Europa auf dem Seeweg zu erreichen.
Quelle: SWR