Finanzminister glaubt an dauerhaft gemeinsame EU-Schuldenaufnahme
Archivmeldung vom 24.08.2020
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Freigeschaltet durch André OttDie gemeinsame Schuldenaufnahme in Europa mit dem Corona-Wiederaufbaufonds ist nach Ansicht von Bundesfinanzminister Olaf Scholz keine krisenbedingte Eintagsfliege. "Der Wiederaufbaufonds ist ein echter Fortschritt für Deutschland und Europa, der sich nicht mehr zurückdrehen lässt", sagte der SPD-Kanzlerkandidat den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagausgaben).
Die EU nehme erstmals gemeinsame Schulden auf, setze diese gezielt gegen die Krise ein und verpflichte sich zugleich, bald mit der Rückzahlung zu beginnen: "All das sind tiefgreifende Veränderungen, vielleicht die größten Veränderungen seit Einführung des Euro."
Vor einem Monat hatten sich die EU-Staaten nach einem Gipfelmarathon darauf geeinigt, dass für den EU-Wiederaufbaufonds nach der Pandemie insgesamt 750 Milliarden Euro bereitstehen - 390 Milliarden Euro als direkte Zuschüsse und 360 Milliarden Euro als Kredite. Außerdem wird die EU-Kommission erstmals europäische Schulden an den Finanzmärkten aufnehmen, die bis 2058 zurückgezahlt werden sollen. Deutschland hatte sich jahrelang gegen eine gemeinsame Schuldenaufnahme und Finanzspritzen an überschuldete und von den Folgen der Pandemie besonders getroffene Südländer wie Italien und Spanien gestemmt.
Die Pandemie vor Augen vollzogen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Scholz dann in enger Abstimmung mit Frankreich einen historischen Kursschwenk. Beim Corona-Wiederaufbaufonds trägt Deutschland einen Anteil der Lasten von rund 27 Prozent, erhält aber auch selbst europäische Fördergelder. Scholz betonte, nun werde zwangsläufig auch über gemeinsame Einnahmen der EU zu sprechen sein, was die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union verbessern könnte. "Das kann schnell relevant werden. Wenn der Rettungsfonds zurückgezahlt werden muss, sollte das nicht zu Lasten des normalen EU-Haushalts gehen." Deshalb seien eigene EU-Einnahmen sinnvoll, etwa durch den Emissionshandel im Schiffs- und Luftverkehr, bei der Besteuerung von Finanztransaktionen oder digitalen Plattformen. Um bei künftigen Krisen und Herausforderungen schneller handlungsfähig zu sein, forderte der deutsche Finanzminister eine Reform der Abstimmungsregeln in den EU-Räten. "Die EU braucht die Möglichkeit, gemeinsam zu handeln. Dafür braucht es aber qualifizierte Mehrheitsentscheidungen bei der Außen-, Fiskal- oder Steuerpolitik statt dem Zwang zur Einstimmigkeit in den EU-Räten."
Quelle: dts Nachrichtenagentur