Am Montag hat Susanne Osthoff dem Sender Al Dschasira ihr erstes Interview gegeben
Archivmeldung vom 28.12.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm Montag hat Susanne Osthoff dem Sender Al Dschasira ihr erstes Interview gegeben, nachdem sie vor gut einer Woche aus der Geiselhaft entlassen worden war. Aktham Suliman, Deutschland-Korrespondent von Al Dschasira, sagte im Gespräch mit dem Tagesspiegel), "es war der Wunsch von Frau Osthoff, und dem kann man als Medium nur entsprechen. Sie ist auf Al Dschasira zugekommen und nicht umgekehrt.
Das Gespräch fand in der
Zentrale von Al Dschasira, in Doha, der Hauptstadt von Katar, statt.
Wie Susanne Osthoff in Katar gelandet ist, darauf will ich nicht
eingehen."
Zu seinen Eindrücken sagte er: "Frau Osthoff hat kein Hehl daraus
gemacht, dass sie den Tod mit den eigenen Augen gesehen hatte. Das
ist wirklich keine Erfahrung, die leicht gewesen ist. Sie war, sie
ist schockiert. Wer in einer solchen Situation gewesen ist, der kann
gar nicht anders reden und denken. Das heißt aber auf keinen Fall,
dass man ihre Aussagen nicht ernst nehmen sollte. Die Zeit nach einer
Entführung ist doch mindestens so schwierig auf aufreibend wie die
Geiselhaft selbst: Das Bundeskriminalamt fragt und fragt, dann der
Druck, sie solle wieder nach Deutschland zurückzukehren."
Susanne Osthoff beharre auf dem, "was sie tun will. Sie betrachtet
sich als jemand, der in seiner Heimat Irak entführt worden ist. Wenn
ein Deutscher in Berlin entführt werden sollte, dann verlässt er
Deutschland auch nicht unmittelbar nach seiner Befreiung", sagte
Suliman.
Auf die Frage, ob nach dem Interview nun die Umstände der
Entführung klarer seien, sagte der Journalist: "Da konnte auch Frau
Osthoff nicht sehr viel erhellen. Das war auch zu erwarten, denn
wahrscheinlich weiß der am wenigsten, der am meisten betroffen ist.
Es sieht aber danach aus, dass sie am Ende bei einer politischen
Gruppe gelandet ist, die sie kannte oder zumindest erkannte. Diese
Gruppe hat - nach Beschreibung von Frau Osthoff - die Lage sehr
schnell begriffen. Das war "kein Fang" für sie, sie musste die Frau
so schnell wie möglich wieder loswerden: Sie wurde als Muslimin
angesehen, als Freundin des Irak und so weiter. Die Gruppe, so sagt
es Frau Osthoff, war um ihre Sicherheit besorgt."
Susanne Osthoff will wieder in den Irak, der deutsche
Außenminister Steinmeier warnt, äußert Unverständnis. Dazu Suliman:
"Das ist ja der Punkt. Jeder verhält sich richtig aus seiner Sicht.
Der deutsche Außenminister hat ja die Aufgabe und die Pflicht, davor
zu warnen, dass jemand in Krisengebiete einreist. Aus der Sicht von
Frau Osthoff ist der Irak ihre Heimat und nicht Deutschland, zumal
sie mit ihrer Familie verkracht ist. Sie würde sich in Deutschland
verloren vorkommen. Susanne Osthoff sieht nicht ein, warum sie ihre
Heimat aufgeben soll. Die Gefahr im Irak betrifft nicht nur die
Archäologin, sondern die Millionen Menschen, die im Irak leben. Frau
Osthoff sagt, die Gefahr, durch eine Bombe umzukommen, ist viel
größer als die einer Entführung. Sie scheint diese Gefahren wie ihr
Schicksal zu akzeptieren. Natürlich steckt die Bundesregierung in
einem Dilemma: Wenn Frau Osthoff wieder entführt werden sollte, dann
muss sie wieder um die Freilassung besorgt sein."
Zur Frage, wie ein solcher Fernsehauftritt von Susanne Osthoff in
der arabischen Welt, speziell im Irak ankomme, sagte Aktham Suliman:
"Alleine, dass Susanne Osthoff ein arabisches und kein deutsches
Medium gewählt hat, zeigt eine ganze Menge Respekt und den Willen zum
Dialog. Was sie gesagt hat, wie sie ihre Angst geschildert hat, das
hat Eindruck gemacht. Aber sie hat niemanden beleidigt. Sie hat
Verständnis gezeigt, nicht im Sinne von Billigung, sondern: Trotz
Lebensgefahr sehe ich die Problematik, die zu solchen Situationen
führen kann. Was eben gar nicht gut ankommt in der arabischen Welt:
Wenn man den Irak als gut betrachtet, wenn man als Journalist oder
als Unternehmer dort sein Geld verdient, den Irak aber verurteilt,
wenn man als Geisel genommen wird. Frau Osthoff sieht sich als eine
entführte Irakerin, nicht nur als eine entführte Deutsche. Umso mehr
missbilligen dann die arabischen Massen diese Aktionen."
Ob die Ankündigung der Bundesregierung, dass sie keine Projekte
mehr im Irak unterstützen will, die sich mit Susanne Osthoff
verbinden, das das doch positive Bild Deutschlands im Irak
beschädigt? Antwort des Al-Dschasira-Journalisten: "Die Ankündigung
der Bundesregierung ist mehr an die deutsche Öffentlichkeit
adressiert: Wir unternehmen alles, damit die Frau zurückkehrt. Der
Irak braucht jede Hilfe und zwar jenseits der Begriffe "Projekt mit
Osthoff" oder "Projekt ohne Osthoff"."
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel