Norbert Blüm nach Idomeni-Besuch: "Geschäfte sind wichtiger als Menschenleben, das ist pervers"
Archivmeldung vom 17.03.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"Wenn Europa noch etwas mit dem Christentum zu tun hat, dann muss es sich von leidenden Kinderaugen erpressen lassen. Ich hoff zumindest, dass es noch so viel Gefühl in Europa gibt". Das sagte der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU), der am Wochenende mit stern TV das Flüchtlingslager Idomeni besucht hat, am Mittwochabend live bei Steffen Hallaschka im Studiogespräch. "Wer da nicht Mitleid spürt, der hat ein Herz aus Stein, der ist unmenschlich." Blüm hatte von Samstag auf Sonntag bei den Flüchtlingen gezeltet, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Die unmenschlichen Verhältnisse vor Ort, der Schlamm, die Kälte und der Stacheldraht machen den 80-Jährigen fassungslos: "Was ich eine Nacht kaum ausgehalten habe, das halten die hier zum Teil schon seit Wochen aus. Was müssen die eigentlich erlebt haben, dass die das hier durchhalten."
Blüms Kritik richtete sich beim Studiogespräch erneut gegen die europäische Politik. "Europa hat 500 Millionen Menschen - wenn wir 5 Millionen aufnehmen würden, muss niemand besondere Leistungen erbringen", so Blüm bei stern TV. "Das sind Leute, die sind am ersaufen - und was macht das Europa? 28 Staatsmänner kommen zusammen und diskutieren zwei Nächte lang über die Sozialleistungen von Großbritannien, damit die bei Laune bleiben, während zugleich die Menschen im Mittelmeer ertrinken." Auch sei es ein Skandal, dass Geschäftemachen wichtiger sei, als den Menschen zu helfen. "Durchs Lager in Idomeni fährt regelmäßig ein Güterzug, der wird durchgelassen, während die Menschen eingesperrt sind", so Blüm bei stern TV. "Das halte ich für pervers, das ist eine verrückte Welt. Güter haben Vorfahrt vor den Menschen, das kann nicht sein." Er wünsche sich vielmehr ein Europa, das solidarisch sei. "Ansonsten kann man den Laden auch schließen. Nur um Geschäfte zu machen, brauche ich kein Europa.
Blüm distanziert sich erneut vom Flugblatt "Kommando Norbert Blüm"
Zu dem am Montag im Lager aufgetauchten Flugblatt mit dem mysteriösen Aufdruck "Kommando Norbert Blüm" sagte der frühere Arbeitsminister bei stern TV: "Nichts habe ich mit dem Flugblatt zu tun und ich hätte auch den Ratschlag zu diesem Fluchtweg nicht gegeben. Aber wie verzweifelt muss jemand sein, so eine Fluchtroute zu wählen."
Der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm war bereits am Freitag mit stern TV nach Idomeni gereist, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen - "damit man nicht nur reden kann über das, was man erzählt bekommen hat." Direkt nach seiner Ankunft hatte Blüm die Verhältnisse vor Ort als Anschlag auf die Menschlichkeit bezeichnet: "Diese Art von Brutalität ist unwürdig der europäischen Kultur", so Blüm. In der Nacht von Samstag auf Sonntag hatte er im Auffanglager zwischen den Flüchtlingen gezeltet.
Der vollständige Beitrag von Blüms Besuch in Idomeni ist ab sofort bei sterntv.de und auf facebook.com/sterntv zu sehen.
Quelle: STERN TV (ots)