Direktor des Deutschen Orient-Instituts kritisiert Rom-Konferenz
Archivmeldung vom 27.07.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFrage: Welches Signal geht von Rom aus? Udo Steinbach: Überhaupt keines. Die Konferenz war von Anfang an eine Alibiveranstaltung. Die internationale Gemeinschaft steht unter Druck, etwas zu tun, angesichts der furchtbaren Bilder, die uns aus dem Libanon erreichen. Ein gewisser zynischer Duktus ist unverkennbar.
Auf der einen Seite sucht man, wie EU-Chefdiplomat
Javier Solana sagt, den Einstieg zu einem Prozess, der zu einem
Waffenstillstand führen soll. Auf der anderen Seite raten einige der
in Rom vertretenen Regierungen, vor allem die amerikanische, den
Israelis weiterhin zu einer Fortsetzung des Krieges, bis die
Hisbollah besiegt ist.
Einer Feuerpause ist man in Rom demnach nicht näher gekommen?
Nein, in keiner Weise. Die Formeln, die das Abschlusskommuniqué
enthält, sind reine Sprechblasen.
Konnte man ohne Beteiligung der Kriegsparteien überhaupt konkrete
Schritte erwarten?
Nein. Naturgemäß konnte Hisbollah nicht eingeladen werden, da es sich
aus Sicht vieler beteiligter Staaten um eine terroristische
Organisation handelt. Unabhängig davon wird ein Waffenstillstand
immer noch zu den falschen Bedingungen gesucht, nämlich zu den
Bedingungen Israels. Dort heißt es: Erst müsse die Hisbollah die
beiden entführten Soldaten freigeben, erst dann käme eine Feuerpause
in Betracht. Eine solche Haltung führt von vornherein in eine
Sackgasse.
Die US-Außenministerin Condoleezza Rice fordert einen dauerhaften
Frieden. Dazu müssten allerdings bestimmte Umstände erfüllt sein.
Heißt das, die USA geben Israel weiterhin freie Hand im Libanon?
Ich denke schon. Die Andeutungen der amerikanischen Außenministerin
lassen klar erkennen, dass man bei der Formel dauerhafter Frieden von
einer Situation ausgeht, in der die Israelis die Hisbollah bereits
militärisch besiegt haben. Ich halte dieses Szenario für
unrealistisch. Aufgabe der Konferenz in Rom wäre es gewesen, den
Israelis deutlich zu machen, dass dieser Kampf militärisch nicht zu
gewinnen ist. Die Israelis haben Hisbollah unterschätzt, so viel
steht fest.
Die Absichtserklärung besagt, dauerhafter Friede sei nur möglich,
wenn die libanesische Regierung die vollständige Kontrolle über ihr
Territorium zurückerhält. Was heißt das genau?
Das heißt, dass man die Regierung stärken will, um sie in die Lage zu
versetzen, die Abrüstung der Hisbollah zu betreiben.
Aber Hisbollah ist Bestandteil der libanesischen Regierung, stellt
Minister im Kabinett.
Richtig. Man müsste diese Hisbollah-Minister vor die Wahl stellen, ob
sie Teil der libanesischen Politik sein wollen oder Teil einer
terroristischen Organisation, die dann im Libanon unter den neuen
Bedingungen legitimer Weise nicht mehr operieren dürfte.
Ist man dem Ziel, einer internationalen Friedenstruppe in den Nahen
Osten zu entsenden, näher gekommen?
Konkrete Beschlüsse sind in Rom nicht gefasst worden. Im Gegenteil:
Die Idee einer Friedenstruppe ist durch das Bombardement des
UN-Postens im Südlibanon eher in die Ferne gerückt.
Inwiefern?
Die Israelis wissen genau, wo die Unifil sitzt. Schon seit vielen
Jahren überfliegen sie täglich diese Posten. Hinzu kommt: Die Gebäude
sind klar als UN-Posten gekennzeichnet, auch für einen Anfänger.
Vieles spricht für eine absichtsvolle Handlung der Israelis, wie
bereits der UN-Generalsekretär vermutet hat.
Was wollten die Israelis damit bezwecken?
Die israelische Regierung hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihr
die UN-Truppen ein Dorn im Auge sind. Sie halten sie für
Sympathisanten der Hisbollah, die im entscheidenden Augenblick
wegschauen oder im Ernstfall israelische Militäroperationen
behindern.
Eine Art Racheakt also?
Eine Art von deutlichem Signal, dass man eine internationale Truppe
dort eigentlich nicht will.
Wann glauben Sie, schweigen die Waffen?
Ich vermute, dass die offenen Feindseligkeiten noch mindestens zehn
bis 14 Tage andauern werden.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung