Kolumbiens Vizepräsident kritisiert Europas fehlendes Engagement im Anti-Drogen-Kampf
Archivmeldung vom 23.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit deutlichen Worten hat Kolumbiens Vizepräsident Francisco Santos Europa fehlendes Engagement im Anti-Drogen-Kampf seines Landes vorgeworfen. Den Europäern fehle "das Verständnis von ihrer Mitverantwortung für die tödlichen Folgen des Kokaanbaus", sagte Santos dem Tagesspiegel in Bogota.
"Drogen sind ein integraler
Bestandteil des Konflikts", führte Santos aus, "ohne Drogen keine
Guerilla und keine Paramilitärs."Mit ihrem Kokainkonsum finanzierten
Europäer letztlich "die Landminen, Entführungen und Vertreibungen -
den ganzen Horror hierzulande". Santos forderte Europa zu einer
anderen Politik auf: "Europa könnte und müsste viel mehr tun", sagte
Santos. "Gegen den Drogenkonsum bei sich, und im Kampf gegen den
Kokaanbau und -Handel bei uns." Die beste Hilfe aber wäre "eine
Öffnung der Märkte für legale Produkte aus Kolumbien und die
Streichung der Riesensubventionen für EU-Landwirte".
Kurz vor der Präsidentschaftwahl am kommenden Sonntag, den 28.
Mai, stellte Santos im Tagesspiegel-Interview die Erfolge der
Regierung Uribe heraus: "Wir hatten einst einen sehr schwachen Staat
- den haben wir erheblich gestärkt. Wir haben die Zahl der jährlichen
Morde von 20.000 auf unter 10.000 gedrückt. Bei den Entführungen
haben wir einen ganz ähnlichen Trend." Gleichzeitig räumte er aber
ein: "Es bleibt viel zu tun". Sollte Uribe am 28. Mai wiedergewählt
werden, werde er sich weiter darum bemühen müssen, das staatliche
Gewaltmonopol wieder herzustellen. "Noch immer gibt es für die
Polizei No-go-Areas. Vor allem in einigen Dschungelregionen und
ländlichen Gebieten, wo die linke Guerilla sitzt und der Drogenanbau
und -handel zu Hause sind, ist der Staat weniger präsent als er es
sein sollte."
Kritikern des Friedensprozesses mit den rechten Paramilitärs hielt
er entgegen, "dass wir 32.000 Leute weniger haben, die andere
umbringen. Dass wir 16.000 Waffen eingesammelt haben, mehr als in
jedem anderen Friedensprozess weltweit. Dass die Führer der illegalen
Gruppen der Justiz überstellt wurden." Das habe es nie zuvor gegeben
- "nicht in Kolumbien, nicht in Lateinamerika, nicht in der Welt".
Santos: "Damit schlagen wir eine neue Seite des internationalen
Rechts auf, eine neue Seite im Geschichtsbuch der Friedensfindung."
Und er fügte hinzu: "Sicher würden einige gern ein paar Paras in
heißem Wasser kochen, aber Friedensverhandlungen sind ein Geben und
Nehmen."
Quelle: Pressemitteilung Tagesspiegel