Griechenland: Euro-Gruppe will jetzt nur eine Finanzlücke von 13,5 Milliarden Euro schließen
Archivmeldung vom 15.11.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Gruppe der Euro-Finanzminister will die griechischen Finanzierungsprobleme kommende Woche noch nicht abschließend lösen. Man wolle nur die Finanzlücke des laufenden Griechenland-Programms bis 2014 schließen; sie belaufe sich auf 13,5 Milliarden Euro, sagten EU-Diplomaten dem "Handelsblatt".
Diesen Fehlbetrag könne man aufbringen, ohne neue Kredite für Griechenland auf den Weg zu bringen. "Frisches Geld ist derzeit keine Option", sagte ein Vertreter der Euro-Zone. Der von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag angebotene Zinserlass allein reiche allerdings auch nicht aus. Es müssten weitere Elemente hinzukommen. Im Gespräch ist unter anderem eine Verlängerung der Kreditlaufzeiten.
Den Finanzbedarf Griechenlands nach 2014 will die Euro-Gruppe bei ihrem nächsten Treffen am kommenden Dienstag in Brüssel nicht erörtern. Dass Griechenland nach 2014 noch mehr Geld benötigt als bisher von IWF und Euro-Zone bewilligt, ist allerdings jetzt schon absehbar. Die Troika spricht in ihrem Bericht von einer Finanzlücke von bis zu 17,6 Milliarden bis 2016.
Die EZB erwarte, dass der griechische Finanzbedarf bis 2020 weiter deutlich anwachse, sagten EU-Diplomaten. Die Euro-Zone will diese Probleme allerdings erst einmal auf die lange Bank schieben. Ganz anders der Internationale Währungsfonds: Er besteht darauf, die Schuldentragfähigkeit Griechenlands bis 2020 wiederherzustellen. Die Euro-Finanzminister würden damit jedoch gerne bis 2022 warten. Es werde "sehr schwer", hier einen Konsens zu finden, hieß es in Brüssel.
Zeitung: Milliardengeschenk soll Griechen retten
Angesichts der dramatischen Lage in Griechenland wird in der Euro-Zone darüber diskutiert, der Regierung in Athen erstmals Mittel in Milliardenhöhe zu schenken, statt sie nur zu verleihen. Ohne direkte Transferzahlungen oder einen Teilschuldenerlass sei das Land nicht zu retten, hieß es am Mittwoch laut der "Süddeutschen Zeitung" in Verhandlungskreisen.
Jetzt sei der Moment da, wo die Regierungen ihren Bürgern ehrlich sagen müssten, dass man einen Teil des Steuergelds, das für den Erhalt der Euro-Zone eingesetzt werde, wohl abschreiben müsse. Bislang hatten die Regierungen der Euro-Länder ihren Bürgern stets versichert, dass alle Hilfen, die an die Krisenstaaten geflossen sind, zurückgezahlt werden.
Im Finanzplan der Griechen klafft aber trotz aller Reformbemühungen eine Lücke von 32 Milliarden Euro, da die Wirtschaftsleistung viel stärker eingebrochen ist, als das allgemein erwartet worden war. Das Loch kann nicht durch zusätzliche Kredite gestopft werden, weil diese die ohnehin zu hohe Schuldenquote des Landes weiter nach oben treiben würden. Da aber vor allem Deutschland einen Schuldenerlass zu Lasten der staatlichen Gläubiger ablehnt, bleiben als Ausweg nur direkte Transfers. Das ist auch der wahre Hintergrund des Streits zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Euro-Gruppe, den die Chefs beider Institutionen, Christine Lagarde und Jean-Claude Juncker, am späten Montagabend vor laufenden Kameras ausgetragen hatten.
Lagarde hatte zuvor bei einem Treffen der Euro-Finanzminister darauf gedrungen, dass die Kosten der Griechenland-Rettung nicht länger verschleiert werden und die Euro-Länder die Finanzlücke schließen. Tun sie das nicht, müsste sich der IWF als Geldgeber zurückziehen, weil er ein Land nur dann unterstützen darf, wenn das Schuldenniveau am Ende der Programmlaufzeit wieder tragfähig ist. Trotz dieses Umstands wurden sich Lagarde und die Minister nicht einig. Fiele der IWF aus, würde die Belastung der Euro-Länder dramatisch steigen.
Um das zu verhindern, wird in der Währungsunion erwogen, die Zinsen auf schon vergebene Kredite an Athen radikal zu senken. Da sich die Geberländer das Geld selbst leihen mussten, käme es in den Staatshaushalten zu entsprechenden Verlusten. Zudem könnten künftige Darlehen aus dem Euro-Hilfsfonds EFSF ebenfalls zum Nulltarif oder zu sehr günstigen Konditionen nach Athen überwiesen werden. Dabei müssten die Euro-Länder dem EFSF die entstehenden Fehlbeträge ersetzen.
Rein ökonomisch betrachtet, käme auch dies einer direkten Transferzahlung der Euro-Länder an Griechenland gleich. Das Bundesfinanzministerium bestätigte, dass über Zinssenkungen geredet werde, wollte aber keine Einzelheiten nennen. Darüber hinaus hat auch die EZB signalisiert, dass sie an der Schließung der griechischen Finanzlücke mitwirken könnte.
Die Notenbank hat seit Frühjahr 2011 Staatsanleihen Athens zu sehr niedrigen Kursen gekauft und ist grundsätzlich bereit, mögliche Gewinne aus einem späteren Wiederverkauf der Papiere der griechischen Regierung zur Verfügung zu stellen. Das gilt aber nur, wenn sich diese Gewinne auch tatsächlich einstellen und nicht nur als Prognose existieren. Damit dürfte erst 2013 oder 2014 feststehen, wie groß der Beitrag wäre. Schon jetzt ist aber klar, dass es nur um eine Summe im mittleren einstelligen Milliardenbereich gehen dürfte. In einigen Regierungen der Euro-Länder hatte man dagegen auf einen EZB-Beitrag von bis zu 13 Milliarden Euro gehofft.
Quelle: dts Nachrichtenagentur