Das „Leopard-Geschäft“
Archivmeldung vom 27.07.2011
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtNach Recherchen der niederländischen Agentur PROFUNDO halten mindestens 14 deutsche Finanzdienstleister Anteile im Wert von 1,74 Mrd. € an den Herstellern des Kampfanzers Leopard 2. Zudem vergaben deutsche Banken in jüngster Vergangenheit Kredite an diese Unternehmen in Höhe von mindestens 2,75 Mrd. €.
Die von der Organisation FACING FINANCE beauftragte Untersuchung belegt, dass neben vielen großen Privatbanken (Deutsche Bank, Commerzbank, Hypovereinsbank, DEKA und DZ Bank) auch Versicherungen (Allianz, Württembergische LV), Landesbanken und auch die KfW zu den Investoren bzw. Kreditgebern der Panzerbauer gehören. „Keine der untersuchten Banken und Versicherungen hat sich bislang öffentlich von unverantwortlichen Waffenlieferungen distanziert. Man sieht dort offenbar kein Problem darin davon zu profitieren“, beklagt Thomas Küchenmeister, Koordinator von Facing Finance.
Am 27. Juni 2011 hatte der Bundessicherheitsrat in geheimer Sitzung den Export von 200 modernsten Kampfpanzern des Typs Leopard 2A7+ nach Saudi Arabien genehmigt, was auf heftige Proteste von Abgeordneten und der Öffentlichkeit stieß . Der Leopard-Panzer ist laut Experten des Internationalen Konversionszentrums Bonn speziell für den Einsatz bei Aufständen auch in städtischen Gebieten konzipiert. Saudi-Arabien hatte zuletzt im Frühjahr 2011 mit gepanzerten Verbänden die Demokratiebewegung im Nachbarland Bahrain blutig niedergeschlagen. Die Exportgenehmigung sei verantwortungslos und hätte nie erteilt werden dürfen, so die Kritik, denn sie verstoße gegen die Richtlinien für den Waffenexport aus dem Jahr 2000. Die Exportrichtlinien der Bundesregierung besagen, dass Rüstungsexporte nicht in Länder genehmigt werden dürfen, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt seien oder in denen Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden.
Hauptauftragnehmer des Rüstungsgeschäftes, geschätztes Volumen 1,7 Milliarden Euro, sind Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall. Viele weitere (börsennotierte) Zulieferfirmen, die sich z.T. in Besitz der Automobilunternehmen Daimler AG (MTU) oder Volkswagen (Renk) befinden, sind ebenfalls am Geschäft mit den Kampfpanzern beteiligt. „Die Hersteller, aber auch ihre Aktionäre und Investoren und natürlich auch die Banken, die mit ihren Krediten und Dienstleistungen die Produktion häufig erst ermöglichen, werden zu den „Gewinnern“ des Leopard-Geschäftes zählen, die arabische Demokratiebewegung wohl zu den „Verlierern“, sagt Thomas Küchenmeister.
Erstmals haben jetzt 21 institutionelle Investoren das Fehlen eines weltweiten Kontrollsystems beklagt, das verantwortungslosen Waffenhandel verhindert. Verantwortungslose Lieferungen konventioneller Waffen, so die Investorengruppe, könnten zu Verstößen gegen Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht führen, wodurch Waffenproduzenten und Investoren dem Risiko ausgesetzt seien, einer Mittäterschaft beschuldigt zu werden. Verantwortungslose Lieferungen fördern darüber hinaus Konflikte und würden zu politischer Instabilität, verringertem wirtschaftlichem Wachstum und Korruption führen. Die Investorengruppe fordert deshalb Unternehmen und Wirtschaftsverbände auf, ein umfassendes Waffenhandelsabkommen (ATT) nach Maßgaben ihrer Stellungnahme zu unterstützen.
Facing Finance hatte vor wenigen Monaten im Zusammenhang mit Streumunitionsherstellern die Verstrickung von staatlich geförderten Riesterfonds überprüft. Auch in Bezug auf verantwortungslose Waffenlieferungen ist zu befürchten, dass aktienbasierte Riesterrenten-Modelle z.B. über Beteiligungen an MAN, Rheinmetall oder Northrop Grumman involviert sind.
Facing Finance fordert Banken und Versicherungen auf, jegliche Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen einzustellen, die von verantwortungslosen Waffenlieferungen entsprechend der Richtlinien zum Rüstungsexport profitieren.
Quelle: FACING FINANCE