Russland-Experte Schlögel über Putin: "Führer neuen Typs"
Archivmeldung vom 08.08.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer Historiker Karl Schlögel sieht vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine düstere Zeit auf Europa zukommen.
"Ohne
in Pathos zu verfallen, bedeutet das, dass man sich auf Opfer einstellt
und begreift, harten Zeiten entgegenzugehen", sagte der renommierte
Russland-Experte der "Rheinischen Post" (Donnerstagausgaben). "Das sind
nicht die Fantasien eines Militaristen, sondern nur ein Hinweis auf den
Ernstfall."
Nach den Worten des Experten müsse sich die
Generation, "die das Glück hatte, vom Krieg verschont geblieben zu sein,
und die keine konkrete Erfahrung mit Gewalt machen musste, einstellen
auf den Ernstfall der Rückkehr des Krieges nach Europa". So würden
historische Konstellationen nicht nur durch gesellschaftliche Strukturen
bestimmt, sondern auch durch Individuen und deren Charakter.
Dabei
sei es wichtig, die vielen Gesichter Putins zusammenzubringen: "Den
KGB-geschulten Manager der Macht, den imperialen Träumer von der
russischen Welt, den Sadisten, der öffentlich Kriegsverbrecher
auszeichnet und ukrainische Städte in Schutt und Asche legt, den
andächtigen Kirchgänger und postmodernen Cyberkrieger. Diesem Führer
neuen Typs, den es so noch nicht gegeben hat und der uns mit jedem neuen
Schritt überrumpelt, müssen wir gewachsen sein."
Auch dadurch
werde es besonders schwierig, passende Antworten zu finden, zumal Putin
kein ideologisches Projekt aus einem Guss hebe. Karl Schlögel, der
Russland oftmals bereist und mehrere Bücher über das Land schrieb, nennt
es "eine eklektische Zusammenfügung von Momenten". Dabei kommen
"Staatskapitalismus mit ganz feudalen Strukturen zusammen, alte
Praktiken des Zarenreiches mit Hightech. Putins Choreografie der
Spaltung Europas wird bis heute unterschätzt", sagte er der "Rheinischen
Post."
Für seine wissenschaftlichen Verdienste wird Karl
Schlögel im kommenden November mit dem Gerda-Henkel-Preis geehrt. Dieser
ist mit 100.000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre vergeben.
Quelle: dts Nachrichtenagentur