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Studie: BGH-Strafrichter verlassen sich oft auf Einschätzung eines Kollegen

Archivmeldung vom 29.07.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.07.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (Bundesanwaltschaft): Straßenseite
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (Bundesanwaltschaft): Straßenseite

Foto: Voskos
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

In den meisten Strafverfahren am Bundesgerichtshof (BGH) setzt sich offenbar typischerweise ein einziger Richter mit seiner Meinung durch, der sogenannte Berichterstatter: Er ist neben dem Vorsitzenden in der Regel der einzige Richter, der die Akten gelesen hat. Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" unter Berufung auf eine noch unveröffentlichte Studie des BGH-Richters Thomas Fischer schreibt, hat dieser Berichterstatter, der den Fall seinen Kollegen vorträgt, in der großen Masse der Strafrechtsfälle des höchsten deutschen Strafgerichts "einen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis des Revisionsverfahrens".

Die vom Gesetz vorgesehene wechselseitige Kontrolle aller fünf Richter eines Senats versage in der Praxis offenbar regelmäßig, so der "Spiegel" weiter. Im rein schriftlichen Verfahren – mit dem die BGH-Strafsenate etwa 95 Prozent aller Fälle erledigen – würden drei Richter die Schriftsätze und das angegriffene Urteil meist nicht durch eigene Lektüre kennen, sondern urteilten auf Grundlage dessen, was ihnen der als Berichterstatter zuständige Kollege in der Beratung erzähle.

Fischer, der erst seit Ende Juni Vorsitzender des 2. Strafsenats ist, hat die Spruchpraxis seines Senats in den Jahren 2008 bis 2012 untersucht. Fischer errechnete dabei, dass es eklatante Unterschiede bei der Erfolgsquote von Revisionen, etwa bei Kapitalverbrechen, gibt, je nachdem, wer für den jeweiligen Fall als Berichterstatter zuständig war. Ein Richter schaffte es, von 195 Urteilen nur eines komplett aufheben zu lassen – das ist eine Quote von 0,5 Prozent; bei zwei anderen Richtern lag die Quote der Komplettaufhebungen im Untersuchungszeitraum dagegen bei jeweils 9 Prozent.

Fischer schrieb, die gegenwärtige Praxis befördere "tendenziöse Ergebnisse auf Basis eingeschränkter Sachkenntnis". Die Erfolgschancen von Verurteilten, die sich gegen den Richterspruch einer unteren Instanz wehren, hängen also in erheblichen Maße davon ab, ob sie an einen strengen oder nachsichtigen Richter geraten. Fischer will für seinen Senat nun versuchsweise einführen, dass alle fünf Mitglieder die Akten selbst studieren.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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