Im Schatten Chinas: Bei der Solarenergie droht eine neue Abhängigkeit
Archivmeldung vom 19.11.2022
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Freigeschaltet durch Mary Smith2040 sollen fast 40 Prozent des deutschen Stroms aus Solarkraft stammen/ Dafür müsste sich die jährliche Installation von Photovoltaik in Deutschland beinahe verdreifachen / China produziert 75 Prozent der Solarmodule; damit droht eine neue Abhängigkeit im Energiemarkt / Die Revitalisierung des deutschen Solarmarkts erhöht die Energiesicherheit, stärkt den Industriestandort Deutschland und schafft Arbeitsplätze.
Deutschland hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt, um die Dekarbonisierung zu beschleunigen und den Klimawandel zu bekämpfen: Spätestens bis 2038 sollen 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Die Solarkraft soll mit einem Anteil von rund 40 Prozent einen großen Anteil beisteuern. Um das umzusetzen, müssten in Spitzenjahren bis zu 50 Millionen Photovoltaik-Module pro Jahr installiert werden. Das Problem: Ein Großteil dieser Module stammt aktuell aus China. Damit sich Deutschland in Sachen Energie nicht in eine neue Abhängigkeit begibt, sind massive Investitionen in die deutsche Photovoltaik-Branche nötig. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland.
50 Millionen Photovoltaik-Module pro Jahr nötig
2021 lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der deutschen Stromproduktion bei 46 Prozent. Laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen bis 2030 im Jahresdurchschnitt mindestens 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen; spätestens 2038 sollen es 100 Prozent sein. Eine der Hauptstromquellen im künftigen Energiemix ist die Photovoltaik. Derzeit stammen knapp 10 Prozent des Stroms aus der Sonnenkraft; 2040 sollen es rund 40 Prozent sein.
"Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, ist ein gewaltiger Kraftakt nötig", kommentiert Heiko Stohlmeyer, Direktor Erneuerbare Energien bei PwC Deutschland. Die Produktion von Strom aus Solar müsste bis 2040 jährlich um über sieben Prozent zulegen. "Das entspricht in manchen Jahren einem Zubau von rund 20 Gigawatt Solarstrom-Leistung zusätzlich pro Jahr - das ist drei Mal so viel wie im bisherigen Rekordjahr 2011, als 7,9 Gigawatt Leistung verbaut wurden", erläutert Heiko Stohlmeyer.
Geht man von einer durchschnittlichen Modulleitung von 440 Watt Peak aus, müssten bei einem Zubau von 20 Gigawatt jedes Jahr rund 50 Millionen Photovoltaik-Module auf deutschen Dächern und Freiflächen installiert werden. Problematisch daran ist, dass diese Module seit dem Niedergang der deutschen Solarindustrie größtenteils in China gebaut werden: Rund 75 Prozent aller Module kamen 2021 aus dem Reich der Mitte. Nur ein Prozent Marktanteil entfiel auf Hersteller aus Europa. Der deutsche Beitrag rangiert im Promille-Bereich.
Es droht eine neue Abhängigkeit im Energiemarkt
"Aktuell liegt die gesamte Produktionskapazität für Solarmodule in der Europäischen Union deutlich unter der von einzelnen chinesischen Anbietern. Führende chinesische Produzenten können derzeit bis zu 100 Mal mehr produzieren als die europäische Konkurrenz", sagt Heiko Stohlmeyer. In der gesamten EU wurden im Jahr 2021 Module mit einer Leistung von 8,3 Gigawatt hergestellt. Allein der chinesische Hersteller Jinko brachte im vergangenen Jahr 45 Gigawatt Modulleistung auf den Markt.
Deutschland läuft somit Gefahr, von einer Abhängigkeit im Energiemarkt in die nächste zu schlittern, warnt der PwC-Experte: "Wir lösen uns gerade unter großen politischen und ökonomischen Anstrengungen aus der Energieabhängigkeit von Russland. Wenn wir nicht in eine neue Abhängigkeit rutschen wollen, muss die Solarmodulproduktion in Europa massiv ausgebaut werden."
Jährliches Marktvolumen von bis zu sieben Milliarden Euro
Für eine Revitalisierung des deutschen Solarmarkts spricht nicht nur die Energiesicherheit. Der massive Photovoltaik-Ausbau würde sich auch positiv auf das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung in Deutschland auswirken: "Der Photovoltaik-Zubau könnte in Deutschland bis Mitte der Zwanzigerjahre zu einem jährlichen Marktvolumen von fünf bis sieben Milliarden Euro allein für Module führen", so die Einschätzung von Carl-Maria Bohny, Senior Manager Erneuerbare Energien bei PwC Deutschland. "Würden deutsche Hersteller wie SMA, Mounting Systems oder Zimmermann PV viel mehr als bisher Wechselrichter, Verkabelung, Montagesysteme oder Transformatoren produzieren, wäre das eine gigantische Investition in die deutsche Industrie", so der Experte weiter.
Zahl der Beschäftigen könnte sich auf 100.000 verdoppeln
"Um das Marktvolumen und die mögliche Wertschöpfung daraus in Deutschland zu realisieren, sind allerdings Investitionen in Produktionsanlagen in Milliardenhöhe nötig. Diese Investitionen würden aber gleichzeitig die deutsche Industrie stärken und Arbeitsplätze schaffen", so das Fazit von Heiko Stohlmeyer.
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) hat errechnet, wie viele neue Jobs durch den massiven Ausbau der Photovoltaik-Branche entstehen könnten: Der Verband hält es für realistisch, dass sich die Zahl der Beschäftigten in der Photovoltaik-Branche bis 2030 auf rund 100.000 verdoppeln und damit an frühere Höchststände anknüpfen könnte.
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Quelle: PwC Deutschland (ots)