Zahl der U-Häftlinge seit 2014 bundesweit um ein Viertel gestiegen
Archivmeldung vom 24.04.2019
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Freigeschaltet durch André OttDie Zahl der Untersuchungsgefangenen in Deutschland ist von 2014 bis 2018 um 25 Prozent gestiegen. Nahezu verdoppelt hat sie sich dabei in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Das ergaben Berechnungen des NDR auf Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamtes.
Die Zunahme ist bemerkenswert, weil die Zahl der Straftaten, Tatverdächtigen, Verurteilten und Haftstrafen in den vergangenen Jahren gesunken ist. In einer Umfrage des NDR unter allen 16 Justizministerien werden mehrere mögliche Faktoren für den deutlichen Anstieg bei den Untersuchungsgefangenen genannt: die zugenommene Zahl ausländischer Tatverdächtiger, die verstärkte Bekämpfung einzelner Straftaten und lange Verfahren.
Nach einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für den NDR gab es 2017 unter den in der Strafverfolgungsstatistik Erfassten 26 Prozent mehr Ausländer mit Untersuchungshaft als 2014. Im selben Zeitraum sank die Zahl der Deutschen in U-Haft um 8 Prozent. Bei Ausländern wird häufiger auf Fluchtgefahr als Haftgrund entschieden, vor allem wenn sie keinen festen Wohnsitz und keine sozialen Bindungen in Deutschland haben.
Die Zahl der Gefangenen, die länger als sechs Monate in Untersuchungshaft sind, ist seit 2014 um 25 Prozent gestiegen. Nach Angaben von Justizbehörden, Richtern und Anwälten sind zudem Ermittlungs- und Strafverfahren in den vergangenen Jahren komplexer und langwieriger geworden. Tatverdächtige sitzen dann nicht selten bis zu einem rechtskräftigen Urteil in U-Haft. Hamburg nimmt eine herausgehobene Stellung in den Statistiken ein. Die Hansestadt hat - bezogen auf die Einwohnerzahl - die mit weitem Abstand meisten Untersuchungsgefangenen aller Bundesländer, mehr als doppelt so viele wie der Durchschnitt der Länder. In Hamburg hat sich die Zahl der Untersuchungsgefangenen seit 2014 nahezu verdoppelt (+ 87 Prozent) und die Zahl der Ausländer um 39 Prozent erhöht. Justizsenator Till Steffen (Grüne) erklärt das u. a. mit der verstärkten Verfolgung von Einbrechern und Kleindealern durch die Polizei. "Wenn man dann tatsächlich erfolgreich ist, dann liegen in vielen Fällen noch Haftgründe vor, weil es sehr mobile Täter sind, bei denen dann auch dementsprechend Fluchtgefahr besteht", so Steffen.
Die Entwicklung ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Überdurchschnittlich angestiegen ist die Zahl der Untersuchungsgefangenen in den Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin sowie in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Thüringen. U. a. Niedersachsen, Mecklenburg- Vorpommern und Schleswig-Holstein liegen deutlich unter dem Bundesschnitt von 25 Prozent.
Das Radioprogramm NDR Info wird zu dem Thema neben der aktuellen Berichterstattung am Mittwoch, 24. April, um 20.30 Uhr in "Das Forum" das 30-minütige Feature "Leben in U-Haft" senden. NDR 90,3 beschäftigt sich in der Stunde ab 20.00 Uhr im "Treffpunkt Hamburg" damit. Das "Hamburg Journal" im NDR Fernsehen plant um 18.00 und 19.30 Uhr längere Beiträge über Untersuchungshaft.
Entwicklung der Zahl der Untersuchungsgefangenen vom 31.8.2014 zum 31.8.2018 (lt. Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den Justizvollzugsanstalten, Stat. Bundesamt)
Deutschland zum 31. 8. 2018: 13.628 Untersuchungsgefangene (+25% ggb. 31.8.2014)
1. Bremen: 130 (+91%) 2. Hamburg: 658 (+87%) 3. Berlin: 799 (+43%) 4. Baden-Württemberg: 1.906 (+40%) 5. Sachsen-Anhalt: 230 (+39%) 6. Rheinland-Pfalz: 568 (+34%) 7. Thüringen: 240 (+27%) 8. Nordrhein-Westfalen: 2.875 (+24%) 9. Sachsen: 652 (+23%) 10. Bayern: 2.975 (+14%) 11. Niedersachsen: 739 (+11%) 12. Mecklenburg-Vorpommern: 157 (+10%) 13. Saarland: 148 (+9%) 14. Hessen: 1.043 (+9%) 15. Schleswig-Holstein: 208 (+2%) 16. Brandenburg: 207 (-2%)
Ausländer unter den in der Strafverfolgungsstatistik Erfassten mit U-Haft 2017 zu 2014 (lt. Strafverfolgungsstatistik, Sonderauswertung des Stat. Bundesamtes)
Deutschland 2017: 18.110 Ausländer (+26% ggb. 2014)
1. Sachsen: 739 (+51%) 2. Thüringen: 118 (48%) 3. Hessen: 1.571 (+46%) 4. Rheinland-Pfalz: 523 (+42%) 5. Sachsen-Anhalt: 109 (+40%) 6. Hamburg: 1.402 (+39%) 7. Bremen: 93 (+39%) 8. Schleswig-Holstein: 200 (+37%) 9. Berlin: 1.501 (+36%) 10. Niedersachsen: 909 (+26%) 11. Baden-Württemberg: 2.491 (+25%) 12. Bayern: 4.287 (+19%) 13. Nordrhein-Westfalen: 3.703 (+17%) 14. Brandenburg: 254 (+11%) 15. Saarland: 132 (+2%) 16. Mecklenburg-Vorpommern: 78 (+/-0%)
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)