NSU-Untersuchungsausschuss will seltsamer Handy-Löschung nachgehen
Archivmeldung vom 28.01.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.01.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Zeugenaussage eines hohen Polizeioffiziers über eine mögliche Datenlöschung bei Ermittlungen gegen die Terrorgruppe NSU hat den Bundestags-Untersuchungsausschuss alarmiert. "Der Ausschuss wird die Aufklärung der Vorgänge energisch vorantreiben", kündigte Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des Gremiums, gegenüber "Bild am Sonntag" an.
Der Polizei-Direktor hatte als Zeuge vor der Bundesanwaltschaft ausgesagt, dass im Dezember 2011 im Auftrag des Bundeskriminalamts (BKA) Handy-Daten eines Tatverdächtigen gelöscht wurden. In der Vernehmung äußerte er die Vermutung, die Sicherheitsbehörden wollten mit der Datenlöschung einen V-Mann im Umfeld der Terrorgruppe schützen.
Meier war als Leiter der Abteilung 5 im Präsidium der Bundespolizei für die Informations- und Kommunikationstechnik der Behörde zuständig, die für das BKA auch die Handys mutmaßlicher NSU-Terrorhelfer auswertete. Das fünfseitige Protokoll seiner Vernehmung liegt dem Untersuchungsausschuss seit dem 2. Januar 2013 vor.
Der Ausschussvorsitzende Edathy sagte "Bild am Sonntag", Meiers Zeugenaussage sei "brisant" und habe ihn "sehr irritiert". Es stellten sich "neue Fragen zur Tätigkeit der Ermittlungsbehörden, die dringend beantwortet werden müssen". Er habe deshalb weitere Akten angefordert. Für den Grünen-Politiker Christian Ströbele, der dem Ausschuss angehört, "ergeben sich jetzt ganz viele Fragen, die geklärt werden müssen: Was war auf dem Handy? Wurden der Bundesanwaltschaft sämtliche dieser Daten übermittelt? Warum gab es beim BKA damals solche Eile, an den offiziellen Dienstwegen vorbei die Daten der Bundespolizei löschen zu lasen?"
Das Ausschussmitglied Petra Pau (Die Linke) sagte "Bild am Sonntag": "Wir haben in der bisherigen Arbeit des Untersuchungsausschusses schon zu viele negative Überraschungen erleben müssen, als dass wir uns auf die Zusagen der Behörden, da sei nichts dran, verlassen könnten."
21.000 Euro für Zeugenhinweise zum NSU-Terror
Mehr als ein Jahr nach der Enttarnung der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) haben die Ermittler den drei wichtigsten Zeugen Belohnungen ausgezahlt. Wie das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtet, überwies die Staatsanwaltschaft Heilbronn den drei Hinweisgebern jeweils 7.000 Euro. Insgesamt hatte die Behörde nach dem Mord an der Polizistin Michèle K. 2007 40.000 Euro ausgelobt. Die restliche Summe werde "nach Abschluss des Strafverfahrens gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Z." ausgezahlt, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft zu "Focus".
Bei der Auswahl der Zeugen sei die Behörde einem Vorschlag des Bundeskriminalamts (BKA) vom Dezember 2012 gefolgt. Die Tippgeber trugen laut BKA "maßgeblich und gleichberechtigt" zur Aufklärung von NSU-Verbrechen bei. Das Innenministerium Baden-Württemberg hatte weitere 260.000 Euro Belohnung ausgesetzt und will sich nun nach Auskunft eines Sprechers "an der Auszahlungspraxis der Heilbronner Staatsanwaltschaft orientieren".
Magazin: Verfassungsschützer waren 2006 dicht am NSU-Versteck
Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) kam der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) offenbar näher als bislang bekannt. Das berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" am Sonntag vorab.
Womöglich hätte der Geheimdienst bereits Ende 2006 das Versteck der Neonazis Uwe B., Uwe M. und Beate Z. finden können. Laut LfV-Akten ermittelten Verfassungsschützer damals in der Zwickauer Neonazi-Szene und observierten dabei auch vier Tage lang den mutmaßlichen NSU-Helfer André E., der sich demnächst vor dem Oberlandesgericht München wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung sowie Beihilfe zum Raub und versuchtem Mord verantworten muss.
Just während der LfV-Observation, die vom 5. bis zum 8. Dezember 2006 unter der Tarnbezeichnung "Grubenlampe" lief, kam es in der Wohnung über dem Versteck des NSU-Trios zu einem Wasserschaden. Vier Zeugen, so steht es in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft, hätten an diesem Tag Beate Z. - die unter falschem Namen im Erdgeschoss wohnte - gemeinsam mit André E. bei Aufräumarbeiten im Haus gesehen. Auch André E. selbst, der einen Monat später wegen des Wasserschadens von der Zwickauer Polizei als Zeuge vernommen wurde, gab damals an, am fraglichen Tag in dem Haus gewesen zu sein - in der Wohnung eines Bekannten.
Im Observationsprotokoll des Verfassungsschutzes dagegen wird der Besuch E.s bei Z. nicht erwähnt. Unklar ist, ob die Verfassungsschützer bei ihrer Observation schlicht schlampten oder aber André E. zur fraglichen Zeit tatsächlich nicht bei den Aufräumarbeiten anwesend war.
Letzterenfalls handelte es sich bei dem Mann, den die vier Zeugen beobachteten, möglicherweise um B. oder M.; E. könnte in diesem Fall versucht haben, das Trio durch seine Aussage bei der Polizei zu schützen. Zu der Vernehmung war er seinerzeit in Begleitung einer Frau erschienen, die sich als seine Ehefrau ausgab. Heute gehen die Ermittler jedoch davon aus, dass es sich bei der Begleiterin um Beate Z. handelt! e.
Quelle: dts Nachrichtenagentur