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Rund zwei Millionen Deutsche wurden schon einmal gemobbt

Archivmeldung vom 30.07.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.07.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Fünf Prozent der Beschäftigten in Deutschland wurden am Arbeitsplatz schon einmal gemobbt oder schikaniert, so die Techniker Krankenkasse (TK) in Bezug auf eine Studie von Eurofound. Die Frage "Wurden Sie im vergangenen Monat verbal beleidigt?" beantwortete in der europaweiten Befragung jeder achte Bundesbürger mit "Ja". Und 4,3 Prozent bestätigten, dass sie am Arbeitsplatz sogar Drohungen und erniedrigendem Verhalten ausgesetzt sind.

Wo Menschen über viele Stunden zusammenarbeiten, gibt es Reibungspunkte und Auseinandersetzungen. "Das ist normal", sagt Heiko Schulz, Diplom-Psychologe bei der TK. "Kritisch aber wird es, wenn ein Mitarbeiter systematisch, über einen längeren Zeitraum schikaniert wird - mit dem Effekt, diese Person rauszukicken." Zur Zielscheibe kann jeder werden. Typische Charaktereigenschaften, die einen Menschen zum bevorzugten Mobbing-Opfer machen, gibt es laut Schulz nicht. Der zielgerichtete Terror kann zwischen Kolleginnen und Kollegen stattfinden, von Vorgesetzten ausgehen oder von Mitarbeitern, die ihre Chefs mobben. In etwa der Hälfte aller Fälle, so der Mobbingbericht der Bundesregierung, sind Vorgesetzte an diesen Prozessen beteiligt.

"Gemobbt wurde zwar immer schon, doch die Vehemenz und Intensität ist stärker geworden. Die Konkurrenz schläft nicht, der wirtschaftliche Druck auf manche Unternehmen ist groß. Das schafft tendenziell ein raues Betriebsklima, erzeugt Verunsicherung und Stress bei den Mitarbeitern", erklärt Schulz. Wer gemobbt wird, leidet körperlich und psychisch. Am Anfang reagieren die Betroffenen mit Beschwerden wie Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Verspannungen auf den Stress. Im fortgeschrittenen Mobbingstadium können dann ernsthafte Erkrankungen hinzukommen wie etwa Migräne, Angstzustände, Tabletten- oder Alkoholabhängigkeit, Depressionen und Herz-Kreislauf-Probleme.

Auch dem Unternehmen schadet Mobbing, unter anderem durch erhöhte Krankenstände, Qualitätsverlust, hohe Mitarbeiterfluktuation und ein schlechtes Betriebsklima. Gemobbte Arbeitnehmer reagieren vielfach mit innerer Kündigung, dadurch bleibt ihr Potenzial am Arbeitsplatz unausgeschöpft.

Doch gegen Mobbing lässt sich etwas unternehmen. "Das üble Geschwür Mobbing kann sich immer dann bequem einnisten und unkontrolliert wachsen, wenn es keine Gesprächskultur im Betrieb gibt. Eine gute innerbetriebliche Kommunikation ist also ein wichtiger Bestandteil der Prävention", sagt Schulz. Die Berufsgenossenschaften unterstützen durch Betriebsberatung und bieten Mobbingprävention durch Seminare für Führungskräfte und Betriebsräte an.

"Betroffene sollten ihren Mobber möglichst frühzeitig zur Rede stellen. Führt das nicht zur Klärung des Konfliktes, kann man den direkten Vorgesetzten einweihen. Ist er selbst der Täter, wendet man sich an dessen Vorgesetzten oder den Betriebsrat", rät der Diplom-Psychologe. Für die Intervention in konkreten Mobbingfällen ist jedenfalls der Arbeitgeber verantwortlich. In manchen Firmen gibt es einen Konfliktmanager, einen internen Anti-Mobbingbeauftragten oder das Angebot einer externen Mitarbeiterberatung. Falls nicht, kann man sich an einen externen professionellen Mediator wenden, der unparteilich sein muss. Mobbingberatungsstellen befinden sich inzwischen in jeder größeren Stadt.

Für den Fall, dass es später doch zu einem Arbeitsgerichtsprozess kommt und man beweisen muss, dass man tatsächlich gemobbt wurde, hilft ein "Mobbingtagebuch". Jeder Vorfall mit Uhrzeit, Ort und gegebenenfalls anwesenden Zeugen werden darin dokumentiert. Die Aufzeichnungen helfen auch, um im Gespräch mit einem Berater schneller auf den Punkt zu kommen.

Eine sorgfältige Analyse ist wichtig, um die Lage realistisch überblicken zu können: Welche Ursachen liegen zugrunde, wer sind die handelnden Personen, welche Interessen stecken hinter dem Konflikt, hat man selbst Anteil daran? "Möglicherweise ist man ja auch gar nicht persönlich gemeint, sondern fungiert eher als Blitzableiter für eine allgemein schlechte Stimmung im Team", gibt Schulz zu bedenken. Und natürlich muss das Ziel definiert werden: Was will ich? Die Situation verändern und den Arbeitsplatz behalten oder eine Abfindung erhalten und erhobenen Hauptes gehen?

"Manchen Betroffenen hilft eine Psychotherapie, um den Konflikt zu bearbeiten. Auch das Gespräch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen ist wertvoll", sagt Schulz. "Wichtig ist, dass man sich nicht rund um die Uhr von dem Thema gefangen nehmen lässt. Gerade in dieser belastenden Situation kommt es darauf an, Dinge zu tun, die Spaß machen, ablenken und den Blickwinkel verändern."

Die TK bezieht sich auf die Ergebnisse der Europäischen Erhebung über Arbeitsbedingungen (EWCS) 2010 von Eurofound.

Quelle: TK Techniker Krankenkasse (ots)

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