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Bundesweit gefälschte Impfpässe im Umlauf

Archivmeldung vom 16.04.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.04.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Impfpass (Symbolbild)
Impfpass (Symbolbild)

Bild: Unbekannt / Eigenes Werk

Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" werden im Messenger-Dienst "Telegram" in mehreren Gruppen gefälschte deutsche Impfpässe zum Kauf angeboten. Die Impfpässe werden mit Fotos beworben, auf denen Stempel, Unterschriften und Aufkleber mit Chargennummern zu sehen sind.

Laut Stempel stammen die Impfpässe aus großen deutschen Impfzentren wie zum Beispiel Bonn, Frankfurt, Augsburg oder Frankenthal - aber auch Impfpässe aus Düsseldorf und München werden im Internet zum Kauf angeboten. Dem Politikmagazin liegen zwei dieser gefälschten Impfausweise vor. Es handelt sich dabei um die gelbe internationale Bescheinigung über Impfungen. Der Stempel besagt "IMPFZENTRUM FRANKFURT, Ludwig-Erhard-Anlage 1" und ist unterschieben. Außerdem sind in dem Dokument zwei Aufkleber mit der Aufschrift "Comirnaty" (Biontech/Pfizer) und einer Chargennummer. Die Fälschung ist vom Original kaum zu unterscheiden.

Schwunghafter Handel mit gefälschten Pässen laut Verkäufer

"Report Mainz" ist es gelungen, einen der Händler persönlich ausfindig zu machen. Er erzählt, dass er sich selbst nicht impfen lassen, trotzdem aber seine Grundrechte zurückerlangen wolle. Er prahlt damit "Land unter mit Anfragen" zu haben. An einem Tag habe er mehr als 30 Stück verkauft. Seine Kunden kämen aus dem gesamten Bundesgebiet. Der Stückpreis liegt bei 150 Euro. Er bietet aber auch einen Mengenrabatt. Zwei Stück für 200 Euro. Wer zehn Pässe nimmt, muss pro Stück nur noch 125 Euro zahlen. Laut Experten handelt es sich dabei um gewerbsmäßigen Betrug.

Leiter des Frankfurter Impfzentrums geschockt

Autorinnen der Redaktion "Report Mainz" haben den Verantwortlichen des Impfzentrums Frankfurt am Donnerstag vor Ort über die Recherchen informiert und die Impfausweise vorgelegt. Im Interview zeigt sich Michael Heiland, städtischer Leiter des Impfzentrums, geschockt und erklärt: "Ich habe mir nicht vorstellen können, dass es so was gibt." Auch Benedikt Hart, Leiter des Impfzentrums von Seiten des Deutschen Roten Kreuzes, wusste nicht, dass gefälschte Impfpässe, die als Originale aus dem Frankfurter Impfzentrum gehandelt werden, im Netz angeboten werden. Er sagt: "Das ist beschämend, das ist furchtbar, ich kann es gar nicht fassen, ich bin sprachlos." Er konnte direkt erkennen, dass die Pässe gefälscht sind und erklärte gegenüber "Report Mainz", dass man im Impfzentrum andere Stempel verwenden würde. Jeder Arzt im Impfzentrum habe einen eigenen Stempel mit einer nur ihm zugeteilten Nummer, die das Impfzentrum auch nicht verlasse. Doch das könne nur er erkennen. Für Beamte, die so einen Impfpass zum Beispiel an einer Landesgrenze kontrollieren, sei das nicht zu erkennen. Direkt vor Ort kündigten die Verantwortlichen von Stadt und DRK an, dass sie Anzeige erstatten werden.

Landeskriminalamt Hessen fordert mehr Fälschungssicherheit

Auf Nachfrage von "Report Mainz" erklärt das Landeskriminalamt Hessen, man habe den Handel mit gefälschten Corona-Impfbescheinigungen im Fokus und werde dagegen "selbstverständlich strafrechtlich ermitteln". Sowohl das Herstellen, das Vertreiben, aber auch die Nutzung solcher gefälschten Gesundheitszeugnisse sei strafbar. Außerdem erklärt das LKA Hessen, dass Blanko-Impfpässe frei verkäuflich seien. Diese Tatsache führe zum vermehrten Angebot gefälschter Zeugnisse. Dem würden Zeugnisse mit eindeutig fälschungssicheren Sicherheitsmerkmalen entgegenwirken. Da keine einheitlichen Sicherheitsmerkmale vorliegen sei "aus Sicht der Urkundenprüfer keine vergleichende Untersuchung möglich."

Politik verweist auf Infektionsschutzgesetz

Konfrontiert mit den Recherchen erklärt das hessische Innenministerium, die Dokumentation der Impfungen in den 28 hessischen Impfzentren entspreche den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes. Die Impfdokumentation werden in allen Impfzentren und auch den Arztpraxen dokumentiert und digital archiviert. Da es sich um Gesundheitsdaten handele, sei ein Abgleich mit Restaurantbesitzern oder Freizeiteinrichtungen nicht möglich. Das Ministerium verweist auf den von der Bundesregierung beauftragten digitalen Impfpass, der die Fälschungssicherheit erhöhe. "Report Mainz" hat das Bundesgesundheitsministerium gefragt, ob es von dem illegalen Handel mit deutschen Impfpässen Kenntnis hat und wie es dagegen vorgehen will. Bisher liegt der Redaktion noch keine Antwort vor.

Größtes Impfzentrum in Hessen betroffen

Das Impfzentrum in der Frankfurter Messehalle ist das größte in Hessen. Hier können bis zu 4.000 Menschen pro Tag gegen das Corona-Virus geimpft werden. Die Organisation und Durchführung hat das Deutsche Rote Kreuz als Betreiber übernommen. Im Impfzentrum arbeiten täglich rund 200 Personen in zwei Schichten. Benedikt Hart vom Deutschen Roten Kreuz erklärt im Interview mit "Report Mainz", man habe gemeinsam mit der Stadt Frankfurt ein aufwendiges Sicherheitskonzept erarbeitet, um Fälschungen vor Ort zu verhindern. Jede durchgeführte Impfung werde digital erfasst und könne über den Aufkleber im Impfpass bin hin zur Charge und dem impfenden Arzt oder der Ärztin zurückverfolgt werden. Ein konkretes Sicherheitskonzept sei auch die Vorgabe des Bundeslandes.

Reaktion der anderen betroffenen Impfzentren

"Report Mainz" hat bundesweit verschiedenen Impfzentren Screenshots der im Netz gehandelten Impfpässe vorgelegt. Das Impfzentrum Augsburg schreibt in seiner Stellungnahme, dass es sich bei dem Angebot um eine Fälschung handele. Ihr Stempel sehe anders aus. Es beinhalte die genaue Adresse, sowie die Betriebsstätten-Nummer des Impfzentrums. Antworten der anderen Impfzentren stehen bislang noch aus.

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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