Staatsrechtler kritisiert Verbot von "Gehsteigbelästigungen"
Archivmeldung vom 05.07.2024
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.07.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Mary SmithDer Gießener Staatsrechtler Steffen Augsberg hat das Verbot von "Gehsteigbelästigungen" durch eine Änderung des Schwangerenkonfliktgesetzes als "Aktionismus" kritisiert. Belästigungen von Schwangeren seien inakzeptabel, hätten aber mit bereits vorhandenen Mitteln geahndet werden können. "Wir haben hier allenfalls ein Vollzugsdefizit", sagte Augsberg dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag-Ausgabe).
Augsberg sprach von einer "überschießenden Tendenz" der Novelle, die der Bundestag am Freitag mit der Mehrheit der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP beschlossen hat. Das Parlament habe sich mit einem Problem befasst, das sich in der täglichen Praxis nur selten stelle. "Die Ampel wollte offenbar zeigen, dass sie noch handlungsfähig ist und sich auch mal auf etwas einigen kann", so Augsberg.
"Das Ansinnen ist menschlich verständlich, es wird hier jedoch zu sehr auf ein subjektives Empfinden abgestellt. Es mag sein, dass die sogenannten Lebensschützer das Interesse verfolgen, schwangeren Frauen ein schlechtes Gewissen zu machen und auf dem Weg in eine Abtreibungspraxis Schuldgefühle oder Scham auszulösen. Aber soll das wirklich verboten sein?"
Auch Abtreibungsgegner hätten das Recht, ihre Meinung kundzutun, erklärte Augsberg, der bis April Mitglied des Deutschen Ethikrats war. "Der Sinn der Meinungsfreiheit ist, dass sie sogar weithin unverständliche Ansichten schützt. Wenn wir die Grenzen so eng ziehen, dass alles unzulässig ist, was andere als Zumutung und subjektiv unangenehm empfinden, bleibt davon nicht mehr allzu viel übrig." Überdies sei die Neuregelung im Schwangerschaftskonfliktgesetz falsch angesiedelt. "Das Polizei- sowie das Straßen- und Wegerecht sind Ländersache", betonte Augsberg.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger (ots)