Konsumenten sind keine Konsumtrottel
Archivmeldung vom 13.10.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVerbraucher können denken und diese Kopfarbeit darf ihnen durch die Politik nicht abgenommen werden. Gegen Verbote und Beschränkungen sprach sich Holger Krahmer, MdEP aus. Er appellierte an den mündigen, selbstverantwortlichen Bürger anlässlich des BLL-Forums "Werbung, Wettbewerb, Verbraucherschutz - wie sinnvoll sind Verbote?".
Im Rahmen der diesjährigen Anuga diskutierten auf der Veranstaltung des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) Experten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbraucherschutz Notwendig- und Unsinnigkeiten von Werbeverboten.
Die bereits jetzt existierenden werberechtlichen Regelungen sind
ausreichend, so Dr. Gerhard Wronka, Hauptgeschäftsführer
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Weitere
Reglementierungen führen allenfalls zu Scheinlösungen. Bürger seien
schließlich keine "Konsumtrottel", die Werbung nicht verstünden.
Falsche Verhaltensweisen - ob im Bereich Ernährung oder beim
Autofahren - seien auf viele soziale Faktoren zurückzuführen.
Erfolgreiche Märkte brauchen Innovationen und Werbung, machte
Prof. Dr. Ulrich Nöhle, Vorstandsvorsitzender Nordzucker AG deutlich.
Mit Sorge registriere die deutsche Lebensmittelwirtschaft eine
verstärkte Tendenz zur Einschränkung der Werbefreiheit, wobei
Korrelation und Kausalität oft verwechselt würden. Nöhle forderte die
ursachengerechte Bewertung und nicht das Argumentieren mit
scheinbaren Zusammenhängen. Diesen Ansatz stützte Prof. Dr. Jörg
Diehl, Justus-Liebig-Universität Gießen: "Wir schlachten das falsche
Schwein". Der Wissenschaftler machte deutlich, dass keine
wissenschaftlichen Belege existieren, die Werbung im Zusammenhang mit
ungesunden Verhaltensweisen zeigen. Und zudem: In Fällen, wo
Einschränkungen verordnet wurden, wie in Schweden oder Québec,
konnten keine positiven Einflüsse auf das Ernährungsverhalten
festgestellt werden. Werbung verbieten würde einen Faktor
beseitigen, der nicht wirkt.
Verbraucherschützer und einige Vertreter aus den Reihen der
Politik fordern trotzdem strengere Gesetze. Insbesondere im
Zusammenhang mit steigendem Übergewicht in der Bevölkerung werden
Einschränkungen in der Werbung für bestimmte Lebensmittel diskutiert.
"Werbung mache Spaß", gestand Heidrun Franke von der
Verbraucherzentrale Brandenburg, "sie darf aber keine falschen
Hoffnungen wecken". Die Verbraucherschützerin forderte eine
obligatorische Nährwertkennzeichnung für alle verpackten Lebensmittel
sowie ein Werbeverbot für gesundheitsbezogene Aussagen (Health
claims) bei ungünstigen Nährwertprofilen.
Die Diskussion brachte die Unsinnigkeit einer solchen Regelung
zutage: Getrocknete Aprikosen dürften wegen ihres natürlichen
Zuckergehalts nicht mit einem positven Nutzen auf die Gesundheit
beworben werden, obwohl Ernährungswissenschaftler zu einem
verstärkten Verzehr von Obst anregen.
Einigkeit fand die Podiumsdiskussion bei den Schlussforderungen
nach "Lifestyle-education": Bürger und vor allem auch Kinder brauchen
mehr Lebenskompetenz. Hier müssen die Familien gestärkt und
entsprechende Schulfächer eingerichtet werden - auch zum Thema
Werbung.
Quelle: Pressemitteilung Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (BLL)