EKD: "Vor Gott brauchen wir keine Ausreden"
Archivmeldung vom 08.03.2011
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Freigeschaltet durch Fabian PittichDer Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, erklärt zum Beginn der Passionszeit und zum Start der Aktion "7 Wochen Ohne": "Mit dem Aschermittwoch beginnt die Passionszeit. Die Christenheit erinnert sich in den folgenden Wochen an den Weg Jesu zu Kreuz und Auferstehung. Seit den frühen Tagen der Kirche wird diese Zeit von Aschermittwoch bis Ostern als Fastenzeit begangen. Fasten heißt Reduktion, heißt Verzicht und dadurch Besinnung auf das Wesentliche. Viele Menschen nehmen sich in den kommenden Wochen vor, ganz bewusst auf etwas zu verzichten."
Schneider weiter: "Häufig ist es der Verzicht auf Alkohol, auf Süßigkeiten, auf Fernsehen oder auch auf alles drei zusammen. Das kann gut und heilsam sein, denn dadurch können Menschen sich klar werden, was diese scheinbar selbstverständlichen Bestandteile unseres Lebens bedeuten und dass wir auch "anders" können. So wird im Verzicht eine neue Freiheit erlebbar. Seit mehr als 25 Jahren gibt es die evangelische Fastenaktion "7 Wochen Ohne", an der sich auch in diesem Jahr wieder viele Menschen beteiligen. Die Aktion hat 2011 das Motto "Ich war's! Sieben Wochen ohne Ausreden".
Dabei muss man nicht nur an unser persönliches Leben und an unser Land denken. Ich denke dabei auch an die Situation der Flüchtlinge in und aus Nordafrika: Es ist schwer zu begründen und schwer zu ertragen, wenn wir in unseren Wohlstandsländern immer neue Ausreden suchen, um Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, nötige Hilfe zu verweigern. Alle Länder der Europäischen Union stehen gemeinsam in der Pflicht, die Aufnahme von Schutzsuchenden zu gewährleisten. Es darf nicht sein, dass dieses Problem nur auf die Länder der Europäischen Union abgewälzt wird, die Außengrenzen haben. Wir dürfen Hilfesuchende nicht zuerst als Bedrohung sehen. Die seit den Aufständen in Tunesien völlig neue Situation erfordert ein neues solidarisches Denken von uns allen - nicht nur in der Fastenzeit. Es lohnt sich, einmal bewusst auf Ausreden zu verzichten. Das fällt uns nicht leicht - weder im politischen noch im persönlichen Bereich. Wir sind es gewohnt, auf unsere 'Außenwirkung' zu achten. Damit einher geht oft eine Neigung zur "Unkultur der Ausrede", zum Beschwichtigen, Beschönigen oder auch zum Vertuschen. Das ist menschlich und verständlich. Aber es lohnt sich, das System einmal für eine Zeit bewusst zu hinterfragen und zu durchbrechen. Das ist der Sinn unserer diesjährigen Fastenaktion.
Ausreden helfen auf Dauer nicht weiter. Irgendwann geht die Fähigkeit verloren, ehrlich gegenüber sich selbst zu sein. "Sieben Wochen ohne Ausreden" kann daher auch dazu einladen, sich einmal selbst zu prüfen und uns selbst, anderen Menschen und auch Gott gegenüber unsere Fehler und Schwächen einzugestehen. "Gott, sei mir Sünder gnädig" - so formuliert es die Sprache der christlichen Tradition. Die Gnade Gottes ist unsere große Verheißung. Gottes Urteil über uns hängt nicht daran, wie schön, stark und erfolgreich wir in unseren eigenen Augen und in den Augen unserer Mitmenschen sind. Gott liebt uns mit unseren Stärken und Schwächen. Er nimmt uns in seiner Barmherzigkeit an, auch mit unserem Versagen. Vor Gott, der uns geschaffen hat und uns liebt, brauchen wir keine Ausreden. Gott sei Dank! Der Mut und die Fähigkeit, sich selbst ehrlich anzuschauen, werden so zu einer Wohltat für uns selbst und für andere. Sie führen auch zu einem neuen Umgang mit dem Nächsten und einem barmherzigen Umgang mit Versagen in unserer Gesellschaft. Das will die Aktion "7 Wochen Ohne" mit dem Motto "Ich war's! Sieben Wochen ohne Ausreden" befördern."
Quelle: EKD Evangelische Kirche in Deutschland