Fall Heße: Kirchenrechtler verweist auf Meisners Verantwortung
Archivmeldung vom 24.10.2020
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Freigeschaltet durch André OttIm Streit um den Umgang des Erzbistums Köln mit einem Verdachtsfall sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Jahr 2010 rückt neben der Person des damaligen Personalchefs und heutigen Hamburger Erzbischofs Stefan Heße nun auch der verstorbene frühere Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner in den Fokus.
Der Kirchennrechtler Prof. Thomas Schüller von der Universität Münster erklärte der Kölnischen/Bonner Rundschau, zu den Amtspflichten des Diözesanbischofs, hier des verstorbenen Kardinals Meisner, gehöre eine Anzeige solcher Fälle bei der Glaubenskongregation in Rom. Das Erzbistum hatte erklärt, laut einem Sondergutachten sie die Anzeige "pflichtwidrig ausgeblieben" sei.
Dazu erläutert Schüller, allein der Bischof trage diese Verantwortung, müsse aber in jedem Schritt des Verfahrens durch den Personalchef, also damals Heße, sowie den mit der Untersuchung beauftragten Kirchenrechtler, in der Regel den Offizial (Chefrichter), unterrichtet werden, so der Experte. Meisner hatte den Geistlichen, dem Sexualdelikte zum Nachteil seiner drei Nichten vorgeworfen wurden, 2010 suspendiert, diese Maßnahme aber 2011 aufgehoben, da ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingestellt worden war. 2019 untersagte Meisners Nachfolger Rainer Maria Woelki dem Pfarrer die Ausübung des Dienstes, 2020 klagte die Staatsanwaltschaft Köln ihn an.
Zur Rolle Heßes meinte Schüller, dieser hätte veranlassen müssen, dass die Anhörungg des beschuldigten Pfarrers verschriftlicht werde. Zur Frage, warum das unterblieben sei, teilte das Erzbistum Hamburg der Kölnischen Rundschau mit, die Notiz sei zu den Akten genommen worden. Schüller erklärte zudem, nachdem die mutmaßlichen Opfer 2010 nicht mehr hatten aussagen wollen, wären weitere Nachforschungen im sozialen Umfeld des Priesters und seiner mutmaßlichen Opfer "Amtspflicht" der Zuständigen gewesen.
Quelle: Kölnische Rundschau (ots) von Raimund Neuß