Hamburger Islamistengruppe im Visier der Sicherheitsbehörden
Archivmeldung vom 05.10.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Hamburger Sicherheitsbehörden haben eine zehnköpfige Gruppe von Islamisten im Visier. Sie sollen im März dieses Jahres in einer konspirativen Aktion in den Nahen Osten ausgereist sein, vermutlich zur Terrorausbildung nach Pakistan.
Das geht aus einem internen Bericht des Hamburger Verfassungsschutzes und des Landeskriminalamtes hervor, der dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" exklusiv vorliegt. In dem Bericht heißt es: "Die einzelnen Gruppenmitglieder verfügen (...) über eine jihadistische Grundeinstellung und sind der gewaltbereiten jihadistischen Szene in Hamburg zuzurechnen."
Als Anführer der Gruppe gilt der polizeibekannte Deutsche syrischer Abstammung, Rami M. aus Frankfurt/Main. Er wird als so genannter "Gefährder" eingestuft. Um ihn sollen sich neun weitere Islamisten unterschiedlicher Herkunft zusammengefunden haben, darunter auch zwei deutsche Konvertiten. Die Gruppe soll sich regelmäßig in der Hamburger Taiba-Moschee getroffen haben. Die Moschee hieß früher "Al Quds" und war Treffpunkt für einige der Attentäter des 11. Septembers 2001. Im Sommer vergangenen Jahres wurde sie vom Moschee-Verein umbenannt.
Bereits im März war bekannt geworden, dass die Behörden am Frankfurter Flughafen den Islamisten Mohammad M. an der Ausreise hindern konnten, indem sie seinen Pass einzogen. Die Behörden gehen davon aus, dass andere Gruppenmitglieder, darunter Rami M., über unterschiedliche Routen nach Pakistan gelangt sind. Sie sehen ein "hohes Gefahrenpotential", sollten die Personen nach absolvierter Ausbildung in einem Terrorcamp wieder nach Deutschland zurückkehren. Wörtlich heißt es in dem Bericht: "Je nach individuellem Radikalisierungsgrad ist davon auszugehen, dass diese Personen grundsätzlich bereit sind, im In- oder Ausland (Selbstmord-)Anschläge zu begehen."
Nach Recherchen von "Report Mainz" sind mindestens zwei Mitglieder der Islamistengruppe wieder zurück in Hamburg. Dabei handelt es sich um die beiden Konvertiten Michael W. und Alexander J. Die Behörden wissen, dass sie im März über Wien nach Doha/Katar gereist waren. Die Reisebewegungen stehen in Zusammenhang mit einer immer größer werdenden Zahl junger Islamisten aus Deutschland, die mutmaßlich Ausbildungscamps von Al-Kaida oder der Islamischen Jihad-Union absolvieren. Bereits Anfang September hatte "Report Mainz" berichtet, dass die Behörden davon ausgehen, dass derzeit "rund 180 Personen mit Deutschlandbezug" zum Zweck der Terrorausbildung ausgereist sind. Knapp die Hälfte der Islamisten hält sich wieder in Deutschland auf.
Das Bundeskriminalamt hat wegen der Hamburger Gruppe mittlerweile eine Informationssammel- und -analysestelle unter dem Namen "Flugreise" eingerichtet - wie es heißt, "aufgrund des zu erwartenden erhöhten Informationsaufkommens". Es sei "mit weiteren Reise- und Absatzbewegungen von Angehörigen des islamistisch-terroristischen Milieus zu rechnen".
In einem "Report Mainz"-Interview lässt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) durchblicken, dass die Sicherheitsvorkehrungen der vergangenen Tage, unter anderem auf dem Münchner Oktoberfest, auch auf die verstärkten Reisebewegungen von Islamisten zurückzuführen sind. Herrmann: "Diese Gefahr ist ganz real. Wir wissen, dass immer wieder Leute an solchen Ausbildungslagern teilnehmen. Diese Reiseaktivitäten sind natürlich ein Teil der Gesamtgefährdungseinschätzung, die die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder insgesamt vornehmen."
Der Islamismusexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Guido Steinberg, der als Gutachter in Terror-Prozessen tätig ist, hält die neuen Erkenntnisse über die Hamburger Islamisten-Gruppe für äußerst relevant. Es zeige sich, dass eine Reise in terroristische Ausbildungslager für viele junge Leute attraktiv sei. Dies stelle die Sicherheitsbehörden bei Rückkehr der Islamisten vor große Herausforderungen: "Wenn wir hier Hunderte von jungen Leuten haben, die nach Pakistan gehen oder auch in andere Gebiete und sich ausbilden lassen, dann muss man die zumindest überwachen, denn sie sind verdächtig. Und das führt natürlich unsere Sicherheitsbehörden an die Grenzen ihrer Kapazitäten."
Quelle: SWR