Kirchen in Deutschland veröffentlichen Gemeinsames Migrationswort "Migration menschenwürdig gestalten"
Archivmeldung vom 21.10.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) haben heute (21. Oktober 2021) ein ökumenisches Grundlagenwort zu Fragen von Migration und Flucht veröffentlicht.
Das in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) vorbereitete Dokument mit dem Titel "Migration menschenwürdig gestalten" steht in der Nachfolge des Gemeinsamen Wortes " ... und der Fremdling, der in deinen Toren ist" aus dem Jahr 1997.
Mit dem neuen Gemeinsamen Wort nehmen die Kirchen die komplexe Realität gegenwärtiger Migrations- und Fluchtbewegungen in den Blick. Die Grundfrage, die die unterschiedlichen Themen miteinander verbindet, lautet: Wie lässt sich Migration unter unvollkommenen und widersprüchlichen Bedingungen so gestalten, dass man der Würde des Menschen gerecht wird? Ziel des Dokumentes ist es, vor dem Hintergrund theologischer Reflexionen und kirchlicher Praxiserfahrungen handlungsleitende Orientierungen zu entwickeln.
Bei der heutigen Vorstellung des Migrationswortes in einer Online-Pressekonferenz betonte der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Franz-Josef Bode, dass die Kirchen mit ihrem Text ein deutliches Zeichen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit setzen: "Wenn jüdische und muslimische Gotteshäuser geschändet werden, darf uns das als Kirchen nicht kalt lassen. Wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder Weltanschauung bedrängt und verletzt werden, ist unser Platz an ihrer Seite. Im Gemeinsamen Wort stellen die Kirchen unmissverständlich klar, dass sie allen menschenfeindlichen Strömungen entgegentreten. Rassismus verleugnet die von Gott gegebene Würde jedes Menschen."
Der Vorsitzende des Rates der EKD, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, rückte die europäische Flüchtlingspolitik in den Fokus: "Für mehr als 82 Mio. Menschen, die derzeit weltweit unterwegs sind, geht es um das nackte Überleben. Dass die Würde und die Rechte von Geflüchteten an so vielen Orten weltweit missachtet und verletzt werden, so auch an den Außengrenzen der EU ist skandalös und zutiefst beschämend. Deshalb setzen wir uns nachdrücklich für eine europäische Flüchtlingspolitikein, die sich an den Menschenrechten orientiert."
Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins (Universität Münster) sprach sich für einen grundlegenden Perspektivwechsel aus: "Nicht Migration zu verhindern, sondern die Ursachen einer von Gewalt oder Not getriebenen, unfreiwilligen Migration zu überwinden, ist aus ethischer Sicht Ziel von Migrationspolitik." Sie gehört, ebenso wie Prof. Dr. Hannes Schammann (Universität Hildesheim) der Ökumenischen Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Migrationswortes an. Prof. Schammann betonte, dass das Wort in einer Zeit entstanden sei, in der in Europa und weltweit eine Erosion des Multilateralismus zu beobachten sei: "Heute entfernen wir uns in der EU von einem solchen gemeinsamen Ansatz, der mehr sein muss als die Hochrüstung der Außengrenzen. Wenn der Blick auf die Verhinderung von Migration das Einzige ist, was die EU zusammenhält, wird die EU als Wertegemeinschaft keine Zukunft haben."
Dem neuen Migrationswort der Kirchen haben der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, Landesbischof Bedford-Strohm und der Vorsitzende der ACK, Erzpriester Radu Constantin Miron, ein Geleitwort vorangestellt. Darin erinnern sie daran, dass die Geschichte des Christentums seit jeher mit Fragen von Migration und Flucht verbunden ist. Es handele sich um eine bis heute andauernde Lerngeschichte: "Wir lernen aufs Neue, wie sich die Heilige Schrift als Buch der Migration lesen und verstehen lässt, wie Interkulturalität im Alltag der Kirche gelebt wird, wie das Zusammenleben in Verschiedenheit gelingen kann, wie die seit Langem vorhandene Pluralität neu wertzuschätzen ist." Mit Blick auf die politische Gestaltung des Migrationsgeschehens halten die drei Vorsitzenden fest: "Eine gerechte Migrationsordnung wird sich - national oder international - nur realisieren lassen, wenn das universale Gemeinwohl im Fokus steht und ein Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen angestrebt wird. Grundlegend sind dabei die Unantastbarkeit der Würde eines jedes Menschen und der Respekt vor den Menschenrechten."
Zu Beginn des Gemeinsamen Wortes der Kirchen werden relevante Entwicklungen und Debattenfelder im Migrationsdiskurs der letzten beiden Jahrzehnte analysiert (Kapitel II). In einem nächsten Schritt werden - mit Blick auf Geschichte und Gegenwart - spezifisch kirchliche Prägungen durch Migration herausgearbeitet (Kapitel III). Auf die Entfaltung biblisch-theologischer Perspektiven, die Migration als zentrales Thema des christlichen Glaubens vorstellen (Kapitel IV), folgt die Reflexion über Grundlagen einer christlichen Migrationsethik und ihre praktischen Konsequenzen (Kapitel V). Sodann werden mehrere politisch-rechtliche Fragenkomplexe beleuchtet: die Relevanz von Menschenrechten im Migrationskontext, die Dimension der internationalen Zusammenarbeit und globalen Gerechtigkeit, Migrations- und Asylpolitik als gemeinsame europäische Politikfelder sowie Fragen der gesellschaftlichen Integration (Kapitel VI). In einem abschließenden Teil werden Thesen für das kirchliche und gesellschaftliche Handeln formuliert (Kapitel VII). Zusammen mit dem Text des Migrationswortes wurde auch eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte und Thesen veröffentlicht.
Quelle: EKD - Evangelische Kirche in Deutschland (ots)