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Recherchen zu Anschlag in Halle: Polizisten sahen Angreifer Sekunden vor dem ersten Mord an der Synagoge

Archivmeldung vom 14.05.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.05.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Fragezeichen & Ahnungslos (Symbolbild)
Fragezeichen & Ahnungslos (Symbolbild)

Bild: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Hätte der Anschlag von Halle verhindert werden können? Am 9. Oktober 2019 attackierte Stephan B. die Synagoge der Saalestadt, ermordete zwei Menschen und verletzte zwei weitere schwer. Der Generalbundesanwalt hat kürzlich Anklage gegen den inzwischen 28-jährigen erhoben, unter anderem wegen zweifachen Mordes und Mordversuchs in 68 Fällen. Der Prozess soll demnächst vor dem Oberlandesgericht Naumburg beginnen.

Exklusive Recherchen des Hamburger Magazins stern zeigen nun: Zwei Polizisten waren auf Tuchfühlung zum Täter, nur zwei Minuten, nachdem dieser vor der Synagoge aufgetaucht war - und noch bevor die ersten tödlichen Schüsse fielen. Dies ergibt sich aus Ermittlungsergebnissen des Bundeskriminalamtes (BKA), die dem stern vorliegen. Eine Verkettung unglücklicher Umstände sorgte jedoch dafür, dass Stephan B. nicht frühzeitig gestoppt wurde.

Demnach waren die beiden Beamten an jenem Morgen in einem Privatauto zu ihrer Dienststelle in Wolfen unterwegs und noch nicht im Dienst. Sie trugen weder Waffen noch Uniform. Auf ihrer Route passierten sie vor der Synagoge den Attentäter von Halle in wenigen Metern Entfernung. Dieser hatte sein mit Waffen und Sprengsoff beladenes Tatfahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits vor der Synagoge geparkt und suchte darin, teilweise vom Auto verdeckt und für die Beamten nicht erkennbar, nach einem Sprengsatz. Die Polizisten nahmen Stephan B. allerdings wahr. Sie wunderten sich über dessen uniformähnliche Bekleidung mit Stahlhelm und Einsatzweste und bemerkten auch seine Helmkamera. Ihrer kurzen Zufallsbeobachtung im Vorbeifahren maßen sie jedoch keine weitere Bedeutung bei. 30 Sekunden nachdem Stephan B. aus dem Blickfeld der beiden Polizisten geriet, wurde vor der Synagoge die 40-jährige Passantin Jana L. von Stephan B. erschossen.

Erst auf ihrer Dienststelle erfuhren die Polizisten von dem Geschehen in Halle und brachten es mit ihrer Wahrnehmung in Verbindung. Sie wurden wenig später als Zeugen polizeilich vernommen. Dabei konnten sie auch eine relativ genaue Personenbeschreibung abgeben. Einer der beiden Beamten sagte in der Befragung, er habe sich Vorwürfe gemacht, dass er die Beobachtung vor der Synagoge nicht ernst genug genommen habe.

Ob das weitere Geschehen in Halle bei einem Einschreiten der Polizisten zu verhindern gewesen wäre, muss offenbleiben. Da die Beamten ohne Dienstwaffe unterwegs waren, hätten sie den schwer bewaffneten Stephan B. nur unter akuter Lebensgefahr stellen können. In diesem Fall wäre die Passantin Jana L. allerdings möglicherweise nicht mit dem Täter zusammengetroffen. Denkbar ist auch, dass eine umgehende Alarmierung weiterer Einsatzkräfte durch die beiden Beamten zumindest die Weiterfahrt des Täters zu einem nahegelegenen Döner-Imbiss verhindert hätte, in dem Stephan B. dann den Malergehilfen Kevin S. erschoss.

Quelle: Gruner+Jahr, STERN (ots)

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