Umfrage: Jeder sechste Westdeutsche war seit dem Mauerfall noch nicht im Osten
Archivmeldung vom 07.11.2019
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Freigeschaltet durch André OttMenschen aus Ostdeutschland reisen weit häufiger nach Westdeutschland als umgekehrt. Seit dem Mauerfall 1989 reisten laut ARD-DeutschlandTrend Menschen aus Westdeutschland im Schnitt 17 Mal privat in die neuen Bundesländer; Berlin ausgenommen. Menschen aus Ostdeutschland wählten den umgekehrten Weg seitdem im Schnitt 68 Mal - also viermal so oft.
Nur 2 Prozent der Ostdeutschen sind noch nie privat in die alten Bundesländer gereist. Umgekehrt war jeder sechste Westdeutsche (17 Prozent) noch nie privat in den neuen Bundesländern. Das hat eine Umfrage von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend von Montag bis Dienstag dieser Woche ergeben. Befragt wurden je zur Hälfte Menschen, die heute in den alten bzw. neuen Bundesländern leben.
Eine Mehrheit der Deutschen hat demnach insgesamt einen positiven Blick auf die Wiedervereinigung. In Westdeutschland sagen 56 Prozent der Menschen, die deutsche Vereinigung habe für sie persönlich eher Vorteile gebracht (+5 Prozentpunkte im Vgl. zu September 2009). In Ostdeutschland sehen 60 Prozent der Befragten für sich persönlich eher Vorteile; vor zehn Jahren waren es hier noch 67 Prozent.
Die heutigen Verhältnisse in Deutschland werden im Vergleich zur früheren DDR in den meisten Bereichen positiv gesehen. Insbesondere die Reisemöglichkeiten bewerten 92 Prozent der Ostdeutschen und 94 Prozent der Westdeutschen heute als besser. Bei der Meinungsfreiheit sind es 69 Prozent der Ostdeutschen und 83 Prozent der Westdeutschen, bei den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten 67 Prozent der Ostdeutschen und 78 Prozent der Westdeutschen. Die heutige Wirtschaft halten 65 Prozent der Ostdeutschen und 80 Prozent der Westdeutschen für besser als die Wirtschaft der DDR. Das Gesundheitssystem sehen 59 Prozent der Westdeutschen im Vergleich zur DDR positiv.
Bei den Ostdeutschen sind es 47 Prozent; 37 Prozent der Ostdeutschen finden, es sei in der DDR besser gewesen. Unterschiedliche Bewertungen zwischen Ost und West gibt es auch beim Schulsystem: Die Hälfte der Westdeutschen bewertet das heutige Schulsystem besser als das der DDR, ein Viertel schlechter. In Ostdeutschland hingegen bewerten 63 Prozent der Befragten das heutige Schulsystem als schlechter im Vergleich zur DDR, nur 22 Prozent als besser. Stärken der DDR sehen Menschen im Osten und Westen Deutschlands bei der frühkindlichen Betreuung und beim sozialen Zusammenhalt. 59 Prozent der Ostdeutschen halten die frühkindliche Betreuung in der DDR für vergleichsweise besser; im Westen stimmen dem 44 Prozent der Befragten zu, nur 31 Prozent der Westdeutschen halten die frühkindliche Betreuung in der Bundesrepublik für besser. Den sozialen Zusammenhalt in der früheren DDR halten drei Viertel der Ostdeutschen (76 Prozent) für besser im Vergleich zur heutigen BRD; 46 Prozent der Westdeutschen teilen diese Einschätzung, 35 Prozent der Westdeutschen finden, der Zusammenhalt sei in der Bundesrepublik besser.
Vor allem Menschen im Osten finden, die Lebensleistung der ehemaligen DDR-Bürger werde im wiedervereinigten Deutschland nicht ausreichend wertgeschätzt. 77 Prozent der Ostdeutschen stimmen dieser Aussage zu. Im Westen sind es 49 Prozent; 43 Prozent der Westdeutschen stimmen der Aussage eher nicht zu. Unterschiede gebe es noch heute: Vier von fünf Deutschen meinen, Kultur und Mentalität in Ost und West bleiben 30 Jahre nach dem Mauerfall unterschiedlich; in Ostdeutschland sagen das 83 Prozent, in Westdeutschland 78 Prozent.
Trotzdem: Die Mehrheit der Bürger empfindet sich heute nicht als Ost- oder Westdeutscher. Im Westen fühlen sich 80 Prozent eher als Deutscher, im Osten 59 Prozent. Nur eine Minderheit der Bürger fühlt sich als West- bzw. Ostdeutscher; im Osten 36 Prozent, im Westen 16 Prozent.
Der Blick in die Zukunft ist mehrheitlich positiv: 77 Prozent der Westdeutschen und 69 Prozent der Ostdeutschen meinen, für die Kinder, die heute geboren werden, werde es keine Rolle mehr spielen, ob sie aus Ost oder West kommen.
Datenbasis
Befragungsdaten - Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland - Fallzahl: 1.007 Befragte - Erhebungszeitraum: 04.11.2019 bis 05.11.2019 - Erhebungsverfahren: Telefoninterviews (CATI) - Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl/Dual Frame Disproportionaler Ansatz (West/Ost 50:50) - Schwankungsbreite: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte (* bei einem Anteilswert von 5%; ** bei einem Anteilswert von 50%)
Die Fragen im Wortlaut:
Würden Sie sagen, die deutsche Vereinigung hat Ihnen alles in allem persönlich eher Vorteile gebracht oder eher Nachteile gebracht?
Wenn Sie die heutigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse mit denen in der DDR vergleichen. Was meinen Sie: Ist im heutigen Deutschland die Situation im Vergleich zur früheren DDR [...] eher besser oder eher schlechter?
- Bei der frühkindlichen Betreuung - Im Schulsystem - Bei den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten - In der Wirtschaft - Bei den Reisemöglichkeiten - Im Gesundheitssystem - Bei der Meinungsfreiheit - Beim sozialen Zusammenhalt
Bitte geben Sie zu den folgenden Aussagen an, ob Sie ihnen eher zustimmen oder eher nicht zustimmen.
- Kultur und Mentalität in Ost und West bleiben 30 Jahre nach dem Mauerfall unterschiedlich. - Für die Kinder, die heute geboren werden, wird es keine Rolle mehr spielen, ob sie aus Ost oder West kommen. - Die Lebensleistung der ehemaligen DDR-Bürger wird im wiedervereinigten Deutschland nicht ausreichend wertgeschätzt.
Fühlen Sie sich 30 Jahre nach dem Mauerfall eher als Ostdeutscher/Westdeutscher oder als Deutscher?
Wie oft waren Sie seit dem Mauerfall 1989 privat in den alten Bundesländern / in den neuen Bundesländern, außer Berlin? Wenn Sie mir eine ungefähre Zahl nennen, dann reicht das aus.
Quelle: ARD Das Erste (ots)