Abrechnungsbetrug mit Krebsmitteln weitet sich aus
Archivmeldung vom 21.04.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Skandal um Abrechnungsbetrug mit Krebs-Medikamenten ist offenbar größer als bisher angenommen. Nach Recherchen des Radioprogramms NDR Info hat der Pharmakonzern Sanofi-Aventis Ende vergangenen Jahres bei der Staatsanwaltschaft Mannheim Anzeige erstattet.
Staatsanwältin Christina Arnold sagte, ihre Behörde ermittle gegen Verantwortliche einer anderen Pharma-Firma. Diese würden verdächtigt, gegen das Patent- und Markengesetz verstoßen zu haben. "Den Beschuldigten wird vorgeworfen, ausländische Arzneimittel mit einem in Deutschland geschützten Wirkstoff geliefert und hier vertrieben zu haben", so Arnold. Die Ermittlungen stehen nach ihren Angaben im Zusammenhang mit den Verfahren gegen bundesweit gut 60 Apotheker, die wegen Abrechnungsbetrugs mit Krebsmedikamenten in den Fokus der Behörden geraten sind.
Der Pharma-Konzern Sanofi-Aventis bestätigte die Anzeige. "Wir haben Kenntnisse über Unregelmäßigkeiten in diesem Bereich, vor diesem Hintergrund die Staatsanwaltschaft Mannheim informiert und dort Anzeige erstattet", sagte der Leiter der Rechtsabteilung von Sanofi-Aventis, Kurt Arnold. Dem Konzern sei ein finanzieller Schaden entstanden, in welcher Höhe, wollte Arnold nicht sagen. Nach Angaben von Sanofi-Aventis geht es bei dieser Anzeige allerdings nur um Präparate des Konzerns aus dem Ausland, die nach Deutschland importiert worden ist. "Das ist das Glück für die Patienten. Wir kennen Fälle, da handelte es sich um Medikamenten-Fälschungen. Davon sind wir nicht betroffen", so Arnold weiter.
Gerd Glaeske, Pharma-Experte aus Bremen, sagte, durch die Anzeige bekomme der Skandal eine neue Qualität: "Mit solchen Betrügereien will kein Pharma-Unternehmen in Verbindung gebracht werden. Deshalb zieht Sanofi-Aventis Grenzen, um deutlich zu machen, dass ein Präparat nicht durch den eigenen Vertrieb auf den Markt gekommen ist."
Apotheker sollen sich in den vergangenen Jahren über Pharma-Großhändler im Ausland die Bestandteile für so genannte Zytostatika - Zellwachstums-Hemmer für Krebspatienten - beschafft haben. Die Medikamente sind dort wesentlich günstiger, in Deutschland aber nicht verkehrsfähig. Bei den Krankenkassen sollen die Apotheker den in Deutschland üblichen Satz abgerechnet und so einen erheblich höheren Gewinn erzielt haben. Die Krankenkassen AOK Niedersachen und Techniker Krankenkasse gehen von einem Schaden im hohen zweistelligen Millionenbereich aus. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen einen Apotheker, dessen Gewinn bei 1,6 Millionen Euro liegen soll.
Der Skandal war ins Rollen gekommen, nachdem einem Pharma-Großhändler ein wirkungsloses Krebs-Medikament über Dubai zu einem auffällig günstigen Preis angeboten worden war. Er hatte daraufhin die Krankenkassen eingeschaltet, die eigene Nachforschungen anstellten.
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk