Zu wenige Therapieplätze für drogensüchtige Straftäter
Archivmeldung vom 07.10.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMindestens sieben Bundesländer können im so genannten Maßregelvollzug nicht ausreichend Klinikplätze für verurteilte, drogensüchtige Straftäter vorhalten. Teilweise warten Verurteilte über ein Jahr in Freiheit darauf, ihre Strafe anzutreten. Das ergab eine Umfrage des NDR Politikmagazins "Panorama 3" unter den Gesundheits- und Justizbehörden der Länder. Experten zeigen sich von der Situation alarmiert und warnen vor Gefährdungen durch Straftäter, die noch auf einen Therapieplatz warten. Gerichte verurteilen Straftäter immer häufiger zum Drogenentzug. Der Ausbau von Maßregelvollzugsanstalten hält damit jedoch nicht Schritt.
Im Detail ergab die Umfrage, dass derzeit in sieben Bundesländern für mehr als 100 Straftäter, für die ein Drogenentzug angeordnet wurde, kein Therapieplatz vorhanden ist. Allein in Nordrhein-Westfalen warteten im August 57 Straftäter auf einen frei werdenden Platz. Gegenüber "Panorama 3" erklärte das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium, dass man "wie auch in einigen anderen Bundesländern einen Belegungsdruck zu verzeichnen" habe. Derzeit werde gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium nach einer Lösung gesucht.
Mehr als ein Drittel der drogenkranken Straftäter wartet in Freiheit auf den Therapiebeginn, knapp zwei Drittel in Haft. Bei der Platzvergabe werden aus juristischen Gründen die in Haft wartenden Straftäter bevorzugt. Entsprechend verlängert sich die Wartezeit der Straftäter auf freiem Fuß. In Niedersachsen liegt die Wartezeit in manchen Fällen bei einem Jahr und darüber. Niedersachsens Sozial- und Gesundheitsministerin Cornelia Rundt sagte, solche Wartezeiten seien zwar "nicht schön", aber "akzeptabel".
Lange Wartezeiten halten Experten für alarmierend, man gehe so das Risiko ein, neue Straftaten zu provozieren. Der Bremer Strafverteidiger Helmut Pollähne, der auf dem Gebiet Maßregelvollzug forscht, warnt: "Wenn man die drogensüchtigen Straftäter monatelang sich selbst überlässt und nicht therapiert, kann das schnell außer Kontrolle geraten und dazu führen, dass sich die Person selber oder auch Dritte gefährdet." Gerade bei den therapiewilligen Straftätern wirke sich die Wartezeit negativ auf den Erfolg des Entzugs aus, da mit der Zeit auch die Einsicht in die Notwendigkeit zur Behandlung schwinde.
"Panorama 3": Dienstag, 7. Oktober, 21.15 Uhr, NDR Fernsehen
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)