Patienten verbringen Hunderte Millionen Stunden in Wartezimmern
Deutschlands Patienten verbringen jährlich Hunderte Millionen Stunden in Wartezimmern. Der volkswirtschaftliche Schaden dürfte in die Milliarden gehen. Das zeigen Berechnungen auf Basis von Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), über die der "Spiegel" berichtet.
Demnach gibt es in Deutschland 98.503 Praxen, in denen es pro Jahr zu
575,7 Millionen Behandlungsfällen kommt. Bis zum März 2020 - der
Frühphase der Coronapandemie - hat die KBV in Versichertenumfragen auch
die Wartezeiten in den Praxen detailliert erfasst.
Demnach
berichteten zuletzt nur zwölf Prozent der Patienten von gar keiner
Wartezeit bei ihrem letzten Praxisbesuch. 34 Prozent mussten bis zu 15
Minuten warten, 26 Prozent bis zu 30 Minuten, 18 Prozent bis zu 60
Minuten, sechs Prozent bis zwei Stunden und zwei Prozent sogar mehr als
zwei Stunden. Bei 575,7 Millionen Behandlungsfällen verbringen die
Deutschen damit mindestens 162 Millionen bis 332 Millionen Stunden pro
Jahr in Wartezimmern. Die tatsächlichen Zahlen dürften noch höher
liegen, da ein Behandlungsfall mehrere Einzeltermine umfassen kann.
Die
langen Wartezeiten verursachen einen erheblichen Schaden für die
Volkswirtschaft. Laut OECD liegt die Produktivität einer Arbeitsstunde
in Deutschland bei umgerechnet rund 87 Euro. Angenommen, jeder vierte
Patient wäre ein nicht krankgeschriebener Erwerbstätiger, läge der
volkswirtschaftliche Schaden der Warterei zwischen 3,5 bis 7,2
Milliarden Euro pro Jahr.
Mediziner begründen die Wartezeiten
meist mit unvorhersehbaren Notfällen. Im medizinischen Alltag komme es
täglich vor, "dass man sich sehr viel mehr Zeit nehmen müsse, als
eingeplant war", sagte Jakob Maske vom Bundesverband der Kinder- und
Jugendärzte. Von einer bewussten Überbuchung der Terminkalender in den
Praxen sei "nicht auszugehen".
Eugen Brysch von der Deutschen
Stiftung Patientenschutz hält das für wenig glaubwürdig. Bei einer
solchen Häufung angeblicher Notfälle "darf schon hinterfragt werden, ob
es vielleicht an dem miserablen Management einiger Praxen liegt".
Ärzteverbände hatten zuletzt Strafhonorare für geplatzte Termine
gefordert. Häufige Ausfälle verlängerten die Wartezeiten auf
Arzttermine.
Quelle: dts Nachrichtenagentur