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Özdemir fordert unabhängiges Archiv wegen NSU-Terrorserie

Archivmeldung vom 25.09.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.09.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Cem Özdemir (2017)
Cem Özdemir (2017)

Lizenz: Copyrighted free use
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Grünen-Politiker Cem Özdemir fordert wegen der NSU-Terrorserie ein unabhängiges Archiv nach Vorbild der Stasi-Unterlagen-Behörde. "Die Mordserie des NSU ist nach wie vor nicht aufgeklärt", sagte Özdemir der "Welt".

Der Bundestagsabgeordnete erinnerte an das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass die Hintergründe der insgesamt zehn Morde restlos ermittelt werden. "Dieses Versprechen war wichtig, aber es ist nie eingelöst worden. Viele Verantwortliche in unserem Land scheint das allerdings nicht zu stören", sagte Özdemir.

Es gehe heute um die Familien der Opfer, "damit sie endlich wissen, wer ihre Liebsten ermordet hat, wer davon wusste und ob diese Morde hätten verhindert werden können". Für ihn persönlich "und praktisch alle Menschen mit Migrationshintergrund geht es allerdings auch um den Glauben an unseren Rechtsstaat und seine Selbstheilungskräfte". Özdemir kritisierte in diesem Zusammenhang scharf den deutschen Verfassungsschutz und die Polizei. "Zwei Gruppen mauern, die zur Aufklärung beitragen könnten. Dass Neonazis, die befragt wurden, nicht zur Wahrheitsfindung beigetragen haben, überrascht mich nicht. Aber auch Verfassungsschutz und Polizei mauern. Die Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse wurde oft vom Bundesamt für Verfassungsschutz und einigen Landesämtern behindert."

Die "Gretchenfrage im NSU-Komplex" laute, was der deutsche Geheimdienst gewusst habe, so Özdemir. Wichtige Akten des Verfassungsschutzes seien geschreddert worden. "Nicht nur ich habe den Eindruck, dass hier etwas verheimlicht werden soll." Der Ex-Grünen-Chef berichtete, dass er engen Kontakt zu den Opferangehörigen halte. Aber er könne viele ihrer Fragen nicht beantworten. In den Gesprächen gehe es außerdem um die Drohbriefe des "NSU 2.0", um den ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke, um den Terror in Hanau, um den antisemitischen Terror in Halle. "Der rechte Terror geht ja weiter. Das ängstigt die Angehörigen sehr." Mit der NSU-Vergangenheit wolle offenbar "keine Landesregierung und auch keine Bundesregierung etwas zu tun haben".

Özdemir lobte die Arbeit der 13 parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Allerdings müsse man jetzt "die vielen Puzzleteile zusammensetzen, wenn wir ein klares Bild bekommen wollen. Die Arbeit der Ausschüsse lief nicht vernetzt genug. Es wurde nicht koordiniert gearbeitet, auch aus Zeitmangel. Das muss man nachholen". Özdemir fordert deshalb die Gründung einer "Institution, die eine umfassende Aufklärung der NSU-Verbrechen ermöglicht. Das Vorbild einer solchen unabhängigen Einrichtung könnte das Stasi-Unterlagen-Archiv sein", so Özdemir. Die Arbeit dort sei möglich, weil rechtzeitig Akten gesichert worden seien. Beim Verfassungsschutz sei bereits heute schon "viel zu viel Beweismaterial offensichtlich absichtsvoll im Reißwolf gelandet. Akten über V-Leute, die mit dem NSU oder dessen Umfeld in Kontakt standen, müssen dauerhaft gesichert werden." Das gelte auch für Gerichtsurteile.

"Deshalb muss jetzt alles zentral gesichert werden und Wissenschaftlern und Medien zur Verfügung gestellt werden". Özdemir kündigte an, die Wissenschaftlichen Dienste des Bundest ages um eine Auswertung der Untersuchungsausschussergebnisse zu bitten. "Diese Arbeit könnte dann auch eine Grundlage für das zu schaffende Archiv sein." Wie bei den Stasi-Unterlagen gehe es um zügige Spurensicherung, die Lücken seien bereits groß genug. Ob dann ein Institut oder gar eine Stiftung das bessere Modell ist, müsse man sehen. "Es klingt bizarr, aber der Staat muss den Gesamtbestand schnell sichern, damit staatliches Handeln untersucht werden kann, dass bislang im Dunkeln lag."

Quelle: dts Nachrichtenagentur


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