Wer handelt, erinnert sich besser
Archivmeldung vom 01.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMenschen, die selbst etwas getan haben, erinnern sich besser an eine solche Handlung als solche, die nur davon gehört oder gelesen haben. Was plausibel klingt und sich vielfach im Alltagsleben bestätigt, beschäftigt Gedächtnispsychologen erst seit rund 20 Jahren.
Untersuchten sie bis dahin vorwiegend, was das Gedächtnis des Menschen gezielt -
etwa durch absichtliches Lernen - zu leisten vermag, widmen sie sich seither
systematisch auch den automatisch ablaufenden Lernprozessen. "Sie machen wohl 90
Prozent unserer Erinnerung aus", veranschaulicht Prof. Dr. Melanie Steffens von
der Friedrich-Schiller-Universität Jena die immense Bedeutung dieser
Forschungen.
Die Psychologin setzt sich bereits seit rund einem
Jahrzehnt mit der Messung solcher Erinnerungen auseinander. Im Rahmen eines von
der Deutschen Forschungsgemeinschaft über drei Jahre geförderten Projektes hat
sie mit ihrem Team den Zusammenhang zwischen Erinnern und Handeln untersucht.
"Dabei sind wir davon ausgegangen, dass man keineswegs neue Gedächtnistheorien
erfinden muss, sondern auf etablierte Konzepte zurückgreifen kann, um das
Erinnern von Handlungen zu erklären", betont die Jenaer Psychologin.
Ziel des nun beendeten Projektes sei es gewesen, einzelne Mechanismen
des Zusammenspiels von Handeln und Erinnern zu erforschen. Als Prämisse nannte
Steffens, dass eine Handlung das Verarbeiten des Geforderten - etwa "einen Apfel
werfen" oder "auf den Tisch klopfen" - voraussetzt, der Proband also die
Bedeutung von Verb und Objekt und ihre Beziehung zueinander erkennt. Dieses
Wissen müsse er speichern, um entsprechend reagieren, also die Handlung
ausführen zu können.
"In mehreren Serien von Experimenten konnten wir die
Richtigkeit unserer Thesen nachweisen, konnten die unterschiedlichen Prozesse
belegen, auf die die gute Erinnerung an Handlungen zurückgeführt wird", erklärt
die Jenaer Gedächtnispsychologin. Partner der Wissenschaftler waren nicht nur je
etwa 40 Erwachsene in zehn Experimenten, sondern auch insgesamt etwa 100
Grundschüler in zwei Versuchen. "Die Experimente mit den Kindern haben gezeigt,
dass auch sie sich schon - wie Erwachsene - bei entsprechenden Hinweisreizen
automatisch an ihre Handlungen erinnern." Allerdings gebe es Unterschiede. Zum
einen seien "die Merkstrategien bei Kindern noch nicht so ausgeprägt", zum
anderen "lassen sie sich leichter ablenken".
Ziel weiterer Forschungen
wird die Frage sein, warum das Forscherteam bei zielgerichteten Tätigkeiten, zum
Beispiel einen Rucksack packen oder Tonmasse herstellen, durchaus vergleichbare
Gedächtnisleistungen zwischen den Probanden-Gruppen feststellen konnte, die
diese Handlungen einerseits aus dem aktiven Handeln, andererseits aus
aufmerksamer Beobachtung heraus zu erinnern hatte.
Aus dem unter
Laborbedingungen abgelaufenen Forschungsprojekt sind nicht nur eine Reihe von
Diplomarbeiten hervorgegangen, sondern auch einige Publikationen, betont Prof.
Steffens. Darunter sei jüngst eine in der "besten europäischen Zeitschrift" auf
diesem Gebiet erschienen, dem britischen "Quarterly Journal of Experimental
Psychology". Weitere Fachartikel stellte die Jenaer Psychologin in Aussicht.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.