2014: Jugendämter führten rund 124 000 Gefährdungseinschätzungen für Kinder durch
Archivmeldung vom 11.09.2015
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.09.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Jugendämter in Deutschland führten im Jahr 2014 rund 124 000 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls durch. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, bedeutet dies einen Anstieg um 7,4 % gegenüber dem Vorjahr.
Von allen Verfahren bewerteten die Jugendämter 18 600 eindeutig als Kindeswohlgefährdungen ("akute Kindeswohlgefährdung"). Dies ist gegenüber 2013 ein Anstieg um 8,2 %. Bei 22 400 Verfahren (+ 4,7 %) konnte eine Gefährdung des Kindes nicht ausgeschlossen werden ("latente Kindeswohlgefährdung"). Der stärkste Anstieg (+ 9,8 %) betrifft 41 500 Fälle, in denen die Fachkräfte des Jugendamtes zu dem Ergebnis kamen, dass zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber ein weiterer Hilfe- oder Unterstützungsbedarf vorlag. In fast ebenso vielen Fällen (41 600) wurde weder eine Kindeswohlgefährdung noch weiterer Hilfebedarf festgestellt, allerdings mit einem geringeren Anstieg gegenüber 2013 von 6,1 %.
63,6 % der Kinder, bei denen eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung vorlag, wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf. In 27,2 % der Fälle wurden Anzeichen für psychische Misshandlung festgestellt. Etwas weniger häufig (23,6 %) wiesen die Kinder Anzeichen für körperliche Misshandlung auf. Anzeichen für sexuelle Gewalt wurden in 4,6 % der Fälle von Kindeswohlgefährdung festgestellt. Mehrfachnennungen waren möglich.
Die Gefährdungseinschätzungen wurden in etwa gleich häufig für Jungen und Mädchen durchgeführt. Kleinkinder waren bei den Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls besonders betroffen. Beinahe jedes vierte Kind (24,2 %), für das ein Verfahren durchgeführt wurde, hatte das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet. Drei- bis fünfjährige Kinder waren von einem Fünftel (20,0 %) der Verfahren betroffen. Kinder im Grundschulalter (6 bis 9 Jahre) waren mit 22,2 % beteiligt. Mit zunehmendem Alter nehmen die Gefährdungseinschätzungen ab: Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren hatten einen Anteil von 18,3 % an den Verfahren, Jugendliche (14 bis 17 Jahre) nur noch von 15,3 %.
Am häufigsten, nämlich bei 20,4 % der Verfahren, machten Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft das Jugendamt auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung aufmerksam. Bei 13,1 % der Verfahren gingen Jugendämter Hinweisen durch Bekannte oder Nachbarn nach, bei 12,5 % der Verfahren kamen die Hinweise von Schulen oder Kindertageseinrichtungen. Gut jeden zehnten Hinweis (11,5 %) erhielten die Jugendämter anonym.
Eine Gefährdungseinschätzung gemäß Paragraf 8a Absatz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung) wird vorgenommen, wenn dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines/einer Minderjährigen bekannt werden und es sich daraufhin zur Bewertung der Gefährdungslage einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind beziehungsweise Jugendlichen sowie seiner Lebenssituation macht. Diese Abschätzung des Gefährdungsrisikos erfolgt in den Jugendämtern in Zusammenwirkung mehrerer Fachkräfte. Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes/Jugendlichen bereits eingetreten ist oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist und diese Situation von den Sorgeberechtigten nicht abgewendet wird oder werden kann.
Quelle: Statistisches Bundesamt (ots)