Argentinien-Anleihen: Attac bedauert Urteil des Verfassungsgerichts
Archivmeldung vom 06.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas globalisierungskritische Netzwerk Attac bedauert die am gestrigen Donnerstag bekannt gewordene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, derzufolge Argentinien auch unter Berufung auf einen Staatsnotstand seine Verbindlichkeiten gegenüber privaten Gläubigern in Deutschland nicht aussetzen darf.
Das Urteil zeige deutlich, dass es im internationalen Recht an
Regelungen mangelt, sagte der Verschuldungsexperte Philipp Hersel,
Vertreter der entwicklungspolitischen Organisation Blue 21 im
Attac-Rat. "Jedes aufgeklärte nationale Rechtssystem erkennt an, dass
ein Schuldner so sehr überschuldet sein kann, dass er seine Zahlungen
mindestens vorübergehend einstellen darf. Bei privater Überschuldung
darf der Gläubiger dem Schuldner nicht den Kühlschrank ausräumen
beziehungsweise die Überlebensmittel nehmen." Leider habe das
internationale Recht dieses Maß an Zivilisation noch nicht erreicht.
Das Verfassungsgericht begründet seine Entscheidung denn auch mit dem
Hinweis, dass es an einer "einheitlichen Staatenpraxis" fehle, die
einen solchen Rechtfertigungsgrund kraft Völkerrechts anerkenne. Die
Richterin Gertrude Lübbe-Wolff widerspricht indes der Mehrheit ihrer
Senatskollegen: Der Staatsnotstand könne auch privaten Gläubigern
entgegengehalten werden, weil er der Aufrechterhaltung der elementaren
Sicherheits- und Daseinsvorsorge diene. Der Staatsnotstand sei ein
allgemeiner Rechtsgrundsatz und keine völkergewohnheitsrechtliche
Norm. Die Achtung vor der Menschenwürde müsse Vorrang haben vor der
Staatenpraxis.
"Dies zeigt, dass auch das internationale Gewohnheitsrecht verändert
werden kann", betonte Philipp Hersel. "Statt weiter das Recht des
Stärkeren gelten zu lassen, müssen im internationalen
Schuldenmanagement endlich faire und rechtsstaatliche Verfahren her."
Attac hat bereits im Jahr 2004 in einer gemeinsame Kampagne mit dem
Entschuldungsbündis Erlassjahr.de konkrete Vorschläge für eine Reform
des internationalen Schuldenmanagements gemacht. Dazu gehören unter
anderem faire und transparente Schiedsverfahren, die nach dem Vorbild
der inländischen Verbraucherinsolvenz auch überschuldeten Staaten eine
Neuanfang ermöglichen. Zudem ist zu überprüfen, welche der
argentinischen Schulden, etwa aus der Zeit der Militärdiktaturen,
überhaupt rechtmäßig und legitim sind.
Quelle: Pressemitteilung Attac