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Ursache für Entgleisung von zwei Güterzügen in Westfalen ist Pfusch am Bau

Archivmeldung vom 29.07.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.07.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Pfusch am Bau ist die Ursache für zwei Güterzugunfälle, die sich in Nordrhein-Westfalen, am 5. Januar 2010 in Neubeckum und einen Tag später, am 6. Januar, in Porta Westfalica-Vennebeck, ereignet haben. Das berichtet das Bielefelder Westfalen-Blatt unter Berufung auf die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle (EUB) in Bonn. Durch die Unfälle war es auf der Hauptstrecke Ruhrgebiet - Berlin mehrere Tage lang zu erheblichen Verzögerungen gekommen. Zudem entstand Sachschaden in Millionenhöhe.

Nach Angaben der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle habe in beiden Fällen eine fehlerhafte Schienenanlage zum Entgleisen der Güterzüge geführt, schreibt die Zeitung. Mängel an den Zügen seien nicht festgestellt worden, sagte EUB-Sprecher Moritz Huckebrink dem Westfalen-Blatt. Die Schienen hätten sich durch Mängel beim Unterbau verschoben. Die Gleise in Neubeckum waren erst 2008 erneuert worden. Im Fall Vennebeck könne zudem ein Zusammenhang mit einer neuen Brücke oder mit früheren Gleisbauarbeiten nicht ausgeschlossen werden. Hier soll es zu unzulässigen Schweißarbeiten bei bis zu minus 18 Grad gekommen sein. Die Arbeiten sollten noch nachgebessert werden, da sich bei Plustemperaturen die Schienen verschieben können. Die Verantwortlichen für den Pfusch am Bau werden derzeit von der Bundespolizei ermittelt, berichtet das Westfalen-Blatt. Insgesamt gebe es in NRW sieben Ermittlungsverfahren nach Bahnunfällen, sagte der Sprecher der Bundespolizeidirektion St. Augustin, Thomas Rach der Zeitung. Derzeit warte man auf weitere Gutachten.

Nach dem Zeitungsbericht wird bei insgesamt fünf Güterzugunfällen mit Sachschäden von mehr als zehn Millionen Euro vermutet, dass ein maroder Unterbau zu den sogenannten Gleislagefehlern geführt hat. Außer in Vennebeck und Neubeckum sind dies Unglücke in Wuppertal (20. Januar 2010), Mönchengladbach-Rheydt (26. Mai 2010) und Hilden (3. August 2010). Es besteht der Verdacht, dass es bei Gleisbauarbeiten zu Verstößen gegen Dienstvorschriften gekommen sein könnte. Maroder Untergrund soll aus Kostengründen nicht verdichtet worden sein. Dies soll nach dem Zeitungsbericht zumindest in den Fällen Vennebeck und Neubeckum durch Gutachten und geologische Untersuchungen festgestellt worden sein. Der Fahrgastverband Pro Bahn hat unterdessen seine Kritik erneuert, dass die Deutsche Bahn (DB) nicht genug Geld in das Schienennetz investiert und es »seit Jahren verrotten lässt«, schreibt das Westfalen-Blatt.

Vor allem in der Ära von Bahnchef Hartmut Mehdorn (Dezember 1999 bis 30. April 2009) sei beim Schienennetz auf Kosten der Sicherheit gespart worden, sagte der Vorsitzende des Fahrgastverbandes, Karl Peter Naumann, der Zeitung. Es sei nicht verwunderlich, wenn Experten bundesweit von möglichen 2000 Gefahrenstellen im Schienennetz ausgingen. Diese Stellen müssen aus Sicherheitsgründen sofort saniert werden. Die Bahn investiere jedes Jahr eine Milliarde Euro zu wenig in das Schienennetz. Ein maroder Unterbau bei Gleisanlagen sei zudem problematisch, da die Güterzuglasten immer schwerer würden. Der Bund als hundertprozentiger Eigentümer der Bahn müsse größeren Einfluss auf die Strukturpolitik des Unternehmens nehmen, sagte Naumann.

Die Bahn selbst wollte sich zu den Untersuchungsberichten zu den Güterzugunfällen in Neubeckum (Kreis Warendorf) und Porta Westfalica-Vennebeck (Kreis Minden-Lübbecke) im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen der Bundespolizei nicht äußern. Wenn sich aus den Berichten Handlungsbedarf ergebe, werde die Bahn dem selbstverständlich nachkommen, sagte ein Konzernsprecher dem Westfalen-Blatt. Derzeit investiere die Bahn Jahr für Jahr 4,2 Milliarden Euro in den Erhalt und die Modernisierung der bestehenden Schieneninfrastruktur.

Bei dem Unfall in Vennebeck am 6. Januar 2010 war ein Güterzug mit 20 leeren Kohlewaggons entgleist. Vier Waggons sprangen aus den Schienen. Tags zuvor, am 5. Januar, war ein Güterzug bei Neubeckum entgleist. In Wuppertal-Unterbarmen entgleiste am 20. Januar 2010 ein mit Kohlenstaub beladener Güterzug. Am Ende des Zuges rissen sieben Waggons ab, die 50 Meter entfernt neben die Gleise in den Schotter rutschten. Auch ein Nachbargleis, auf dem S- und Regionalbahnen verkehrten, musste wegen Schäden gesperrt werden.

Auch in diesem Fall besteht der Verdacht, dass der Untergrund der Gleisanlagen marode war. Nach Angaben der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle (EUB) in Bonn sei das Gleis zum Zeitpunkt des Unfalls eigentlich wegen defekter Holzschwellen gesperrt gewesen. Durch fehlerhafte Informationen zwischen Baudienst und Betriebsdienst sei der Güterzug aber auf das gesperrte Gleis geleitet worden.

Außerdem hatte sich im Januar 2010 noch ein Güterzugunfall in Niedersachsen ereignet. Am 28. Januar entgleiste nahe des Dorfes Schandelah ein mit Autoteilen beladener Zug, der sich auf der Fahrt von Magdeburg nach Braunschweig befand. Die im Ost-West-Verkehr wichtige Bahnstrecke wurde komplett gesperrt und zahlreiche Intercity-Züge mussten umgeleitet werden. Die Untersuchungen in diesem Fall seien noch nicht abgeschlossen, sagte EUB-Sprecher Moritz Huckebrink. Gesicherte Erkenntnisse zur Unfallursache lägen daher nicht vor.

Quelle: Westfalen-Blatt (ots)

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