Sicherheitsrisiko am Hauptbahnhof war bekannt
Archivmeldung vom 20.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Absturz eines Trägers am Berliner Hauptbahnhof während des Sturms in der Nacht zu Freitag hätte wahrscheinlich verhindert werden können. Nach Tagesspiegel-Informationen hatte sich bereits in der Planungsphase herausgestellt, dass die Querträger vor der Glasfassade bei starkem Sturm abstürzen könnten.
Eine relativ einfache Sicherheitsmaßnahme
hatte man aber nicht ergriffen. Das wird seit gestern nachgeholt.
Die Arbeiten sollen spätestens Ende der Woche abgeschlossen sein.
Dann will die Bahn auch die Anweisung aufheben, den Hauptbahnhof bei
Wind ab Stärke acht komplett zu sperren. Ein Bahnsprecher wollte sich
zu den Tagesspiegel-Informationen nicht äußern. Erst müsse die
Unglücksursache festgestellt werden. Der Architekt des Bahnhofs,
Meinhard von Gerkan, der wegen erheblicher Veränderungen an seinem
Entwurf erfolgreich gegen die Bahn geklagt hatte, war am Samstag
nicht zu erreichen.
Die Bahn hat nach den Sturmschäden schnell reagiert. Bereits am
Freitag begann sie damit, die Querstreben zusätzlich zu sichern. Rund
100 von ihnen, die zusammen mit den tragenden Teilen ein
gleichmäßiges Stahlraster vor der Glasfassade der sogenannten
Bügelbauten bilden, haben keinerlei Bedeutung für die Statik des
Bahnhofs, sondern sind nur ein architektonisches Element. Sie wurden
nicht verschraubt oder verschweißt, sondern ruhen auf besonderen
Auflagen. Durch ihr Gewicht von etwa zwei Tonnen sollten sie nach den
Berechnungen der Prüfer sicher liegen. Mahnende Stimmen, die zur
Sicherheit auch über den Streben an den vertikalen Stützen eine Art
"Nase" anbringen wollten, die verhindert hätte, dass sich die Träger
durch einen Orkan lösen könnten, waren nach
Tagesspiegel-Informationen übergangen worden. Diese "Nasen" werden
jetzt angeschweißt. Besonders sturmgefährdet sollen die oberen
Querträger gewesen sein. Einer von ihnen stürzte in der Sturmnacht ab
und landete auf einer Freitreppe, auf der sich zum Unglückszeitpunkt
niemand aufhielt.
Die Bahn und die Baufirmen haben sich inzwischen auf ein sogenanntes
Beweissicherungsverfahren geeinigt, das die Unglücksursache klären
soll. Sicher ist schon jetzt, dass die die Bahn ihren Prestigebahnhof
nach Abschluss der Sicherheitsarbeiten für sicher erklären und dann
alle bisherigen Einschränkungen aufgeben wird - auch die Absperrungen
um die Bügelbauten. In diese Büros, die sich wie ein Bügel über das
Glasdach des Bahnhofs schwingen, will der Konzernvorstand der Bahn
einziehen.
Sollte es in den nächsten Tagen stürmisch werden, wird der Verkehr
auf der Ost-West-Stadtbahn aber erneut komplett unterbrochen.
Insgesamt lief der Zugverkehr in Deutschland am zweiten Tag nach dem Orkan Kyrill wieder weitgehend normal. Einschränkungen gab es aber weiter in Nordrhein-Westfalen und auf Nebenstrecken in Brandenburg. Außerdem muss weiterhin mit Verspätungen gerechnet werden. Kritik an der Bahn kam vom Fahrgastverband "Pro Bahn". Die Informationen zum Sturm seien unzureichend gewesen. Ein regionaler Bahn-Anbieter kritisierte, die Einstellung des Regionalverkehrs sei unnötig gewesen.
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel