Nazi-Raubkunst im Bundestag entdeckt
Archivmeldung vom 30.12.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Kunstbeirat des Deutschen Bundestags hat im Parlament Nazi-Raubkunst entdeckt. Das bestätigt der Sprecher des Bundestagspräsidenten auf "Bild"-Anfrage.
Bei den Werken handelt es sich um das Gemälde "Kanzler Bülow spricht im Reichstag", das Georg Waltenberger 1905 mit Öl malte. Im zweiten Fall ist es die Kreidelitographie "Straße in Königsburg", die Lovis Corinth im Jahr 1918 schuf. Dieses Werk stammt nach "Bild"-Informationen aus den Sammlungen der Münchner Familie, der im Februar 2012 von der Staatsanwaltschaft 1.280 Werke wegen des Verdachts auf NS-Raubkunst beschlagnahmt wurden.
Wer die rechtmäßigen Besitzer der Werke sind, wollte die Bundestagsverwaltung nicht mitteilen. Bereits vor vier Jahren musste der Bundestag das von den Nazis gestohlenen Gemälde "Bismarck mit dem Schlapphut" von Franz von Lenbach an die Erben des ehemaligen Besitzers herausgeben. Seit 2012 ermittelt eine Kunsthistorikerin auf Beschluss des Kunstbeirats nach Raubkunst im Bundestag.
Die Kunst-Sammlung das Bundestags umfasst insgesamt 4.000 Werke. 700 wurden vor Kriegsende 1945 geschaffen und vom Bundestag nach 1949 erworben. Die bisherige Auswertung, die spätestens im April 2014 abgeschlossen sein soll, ergab, dass 108 Kunstwerke mit ungeklärter Herkunft und Raubkunst-Verdacht im Bundestag hängen. Um welche Werke es sich handelt, wollte der Bundestag auf "Bild"-Nachfrage nicht sagen.
Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, fordert eine Offenlegung der Liste mit den verdächtigen Werken. Graumann zu "Bild": "Wenn der Bundestag jetzt Sammlungsverzeichnisse geheim hält, die Presse bei der Aufklärung behindert, Ariseure schützt und Erben nicht benachrichtigt, dann wünsche ich mir von den Verantwortlichen mehr Sensibilität und Fingerspitzengefühl."
Bundestag dementiert "BILD"-Bericht zu Raubkunst
Der heute in der BILD-Zeitung auf Seite 9 erschienene Artikel mit dem Titel „Nazi-Raubkunst im Bundestag entdeckt“ enthält zahlreiche Falschbehauptungen, zu denen die Bundestagsverwaltung folgendes erklärt:
- Der Sprecher des Bundestagspräsidenten hat dem Journalisten Nikolaus Harbusch keine Bestätigung für das Vorhandensein von Beutekunst im Bundestag gegeben. Mitgeteilt wurde, dass der Bundestag hoffe, die laufenden Untersuchungen bis März/April 2014 abgeschlossen zu haben. Es wurde zugesagt, dass die Resultate dann selbstverständlich veröffentlicht werden.
- Es gibt im Bundestag auch keine „entdeckte Nazi-Raubkunst“, wie der Journalist Harbusch in Überschrift und Text des Artikels behauptet, sondern zwei Verdachtsfälle, die derzeit genau von einer Kunsthistorikerin geprüft werden. Dies war dem Journalisten Harbusch am 20. Dezember mitgeteilt worden.
- Auch liegen der damit befassten Kunsthistorikerin bisher keine Erkenntnisse vor, dass es bei einem der beiden genannten Bilder einen Zusammenhang zur Sammlung Gurlitt gibt, was der Journalist Harbusch in seinem Beitrag behauptet. Auch dies hatte der Bundestag dem Journalisten am 20. Dezember mitgeteilt.
- Der Journalist Harbusch konstruiert in dem Beitrag einen weiteren falschen Zusammenhang: Die Bundestagsverwaltung teilte ihm am 4. Dezember mit, dass geschätzt bis zu 700 Werke der Kunstsammlung im Zeitraum vor 1945 entstanden sein könnten, und übersandte dem Journalisten am 20. Dezember eine aktuelle Liste mit bisher 592 Werken, die definitiv in der Zeit vor 1945 geschaffen worden waren. Diese Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen. Insofern kann es sein, dass diese Liste in den kommenden Wochen ergänzt wird. Aus der Schätzzahl 700 minus der 592 bereits ermittelten Bilder konstruiert der Journalist Harbusch fälschlich, dass demnach „108 Kunstwerke mit ungeklärter Herkunft und Raubkunstverdacht im Bundestag hängen“, die der Bundestag auf Anfrage nicht nennen wolle.
- Darüber hinaus erweckt der Beitrag auf Grundlage dieser Falschbehauptungen den Eindruck, die Bundestagsverwaltung behindere die Aufklärung. Das Gegenteil ist richtig: der Deutsche Bundestag begrüßt die Klärung der Herkunft der betreffenden Kunstwerke und hat darum im Jahr 2012 die Provenienzrecherche eingeleitet. Seitdem wird die Kunstsammlung des Bundestages vollständig überprüft, um mögliche Raubkunstfälle ausfindig zu machen und entsprechend eine Restituierung einzuleiten – so wie 2009 bereits mit einem Bismarck-Gemälde von Franz von Lenbach geschehen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur / Deutscher Bundestag